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dieStandard.at | Kultur 
05. April 2009
18:32 MESZ

Plakat der Ausstellung "The Porn Identity"


Ficken was das Zeug hält
Pornotration impliziert eine bestimmte Stoß- und Blickrichtung - Davon kann auch "The Porn Identity" nicht abweichen - Eine Besprechung der Schau

Porno all over. Ob im medial aufbereiteten Alltag, im Pop, in der Kunst, Pornografie ist allgegenwärtig, ihre Flut der Präsentation ansteigend und es scheint beinahe unmöglich, ihr zu entkommen. In der Ausstellung "The Porn Identity" wurde für dieses gesellschaftliche Phänomen der Begriff "Pornotration" geprägt und er sagt mehr über die wahrscheinlich unbewusste oder unreflektierte Intention der KuratorInnen als ihnen wahrscheinlich Recht ist. Denn wenn "der Transfer der schamlosen Bilder in den kunstinstitutionellen Raum", wie es im Text zur Ausstellung heißt, "nicht nur den pornotypischen Zusammenhang von marktorientierter Veröffentlichung und reprivatisiertem Konsum" durchbricht, und auch die Frage stellt nach "Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen Kunst und der visuellen Kultur der Stimulation", dann muss schon gefragt werden: wo und wie diese angebliche "Durchbrechung" innerhalb der Ausstellung stattfindet und wo und wie hier die Frage nach Ähnlichkeiten bzw. Differenzen erörtert wird.

"The Porn Identity" kann dieses Versprechen der Auseinandersetzung bis auf eine Ausnahme - Katharina Daschners Arbeit "Dolores" - nicht leisten. Und anstelle von Fragen und schon gar nicht von Antworten prangt nach einem Gang durch die Schau die ganz banale Frage, was denn nun das Künstlerische an dieser Ausstellung sei oder es zu sein vorgeben könnte, in fetten Lettern im Gehirn. Eine Frage, denen auch die Referentinnen Marty Huber und Diedrich Diederichsen bei der Ausstellungsbesprechung am 1. April  im Depot recht hilflos, wenn auch durch überaus intellektuelle Diktion zu verbergen bemüht, gegenüberstanden.

Verhinderung von Intimität

Marty Huber, queere Aktivistin und Performancetheoretikerin, kritisierte zwar, dass die "Zone zwischen Kunst und Pornografie" nicht klar definiert und schon der Titel der Ausstellung Motto ihrer Kritik sei - denn gibt es eigentlich eine "pornografische Identität"? Aber außer, dass ihrer Meinung nach "zu wenig queere, postpornografische Positionen" und jene von Sexarbeiterinnen dargestellt werden, "fand ich einige Teile der Ausstellung schön", so Huber. Die Platzierung der vielen kleinen Fernseher waren für sie nur deshalb störend, weil sie das Schauen der Pornos nur mit gerecktem Hals ermöglichen und diese "Genickstarre" keine Entspannung zulasse. Ebenso würde die Inszenierung der Installation "the green door" aufgrund der Helligkeit des Raums und der Eingangsnähe "Intimität verhindern", also auch hier Lustfeindlichkeit ausdrücken.

Porno ohne Porno-Objekt

Ansatzweise kritisch äußerte sich der Kulturtheoretiker Diedrich Diederichsen, der immerhin das gegenteilige Verhältnis von Kunst und Pornografie, das "nicht ästhetische Überwältigtwerden von Geilheit und Gewalt" anspach: "Das Umdrehen geschieht aber in der Ausstellung nicht", stellte er fest. Und obwohl er die "Rekonstruktionen" als "nicht besonders feinfühlig" bezeichnete und sich eine Präsentation von Porno ohne einem einzigen pornografischen Objekt, sondern durch eine reine Inszenierung von Zärtlichkeiten vorstellen kann, war er schlussendlich doch der Meinung, die Ausstellung zeige "nicht Porno, sondern Kunst, die mit Porno zu tun hat". Einig waren sich beide darin, dass Pornotration Melancholie erzeugt und Heteronormativität weiterträgt.

Lochfixiert und stoßfixiert

Diese Pornotration birgt jedoch, wie eingangs erwähnt, noch ein wesentlich tiefer gehenderes und breitenwirksameres Element. Nicht bloß die Normativität des Heterosexes, in der der Mann die Frau penetriert, verkürzt die Realitäten. Diese Stoßrichtung beinhaltet eine bestimmte eindimensionale Blickrichtung. Es ist die Ausrichtung nach dem männlichen Blick, seinem absoluten und gerade in der Pornografie dominierenden Blick. Lochfixiert und stoßfixiert. Auch wenn zwei Frauen miteinander gezeigt werden, dann in der Art, wie es Männer sehen wollen. Also bearbeiten auch die Frauen einander in dieser Weise, penetrierend in alle Löcher mit allem, was halt zur Verfügung steht. Und eine Lust mimend, wie er sie sich vorstellt. Der Fokus des Blicks bleibt auch in "The Porn Identity" immer sein Blick, immer ein männlicher. Es ist die ungebrochene und unreflektierte Übernahme des Porno-Mainstreams in die Darstellungsform dieser Ausstellung. Eine künstlerische Umsetzung bleibt leider ungelöst. (dabu/dieStandard.at, 06.04.2009)

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