Das rote Quadrat, das schwarze Quadrat von Kasimir
Malewitsch: Es gibt nur wenige Werke, die mit vergleichbarer
Radikalität mit der alten Kunst gebrochen haben. Einige dieser
suprematistischen Bilder zeigt das Kunstforum nun im viel
größeren Rahmen des früheren und späteren Werks des Künstlers.
Die Arbeiten stammen ausschließlich aus dem Staatlichen
Russischen Museum aus St. Petersburg, wo sie, nach dem Tod des
Künstlers 1936 an das Haus geschenkt, Jahrzehnte lang in der
Versenkung bleiben mussten.
Malewitsch war mit seiner so gar nicht dem sozialistischen
Realismus entsprechenden Kunst bei den stalinistischen
Machthabern in Ungnade gefallen.
In den letzten fünfundzwanzig Jahren öffneten sich langsam
die Museumsdepots und übergaben den Augen der Fachwelt ein
vielgestaltiges Werk: Spiegel eines Künstlerdramas im Rahmen
politischer Repression.
Malewitsch tastet sich, wie viele andere auch, zu Beginn
des Jahrhunderts durch die jüngsten Strömungen - Symbolismus,
Impressionismus. Über den Kubismus findet er zur
gegenstandslosen Welt: "Suprematismus" ist ein von Malewitsch
selbst erfundener Terminus, der die Vorherrschaft der "reinen
Empfindung", der Farbe bedeutet. Hinter den auf Grundfarben
reduzierten Kreisen, Quadraten, Kreuzen steht ein
Gedankendestillat: Im "Roten Quadrat" steckt beispielsweise
die Erinnerung an eine russische Bäuerin mit ihrem roten
Gewand. Die künstlerische Revolution des Jahres 1915
korreliert mit den Vorboten des gesellschaftlichen Umsturzes,
den Malewitsch, wie andere Künstler auch, gedanklich
mitvorbereitete.
Mit leitenden Funktionen im Kunstleben betraut, reist
Malewitsch 1927 nach Berlin, um seine Bilder dort
auszustellen. Überraschend wird er zurückgerufen, die Bilder
zurücklassend. Nun beginnt das letzte, besonders
problematische und tragische Kapitel seines Lebens: In der
Vorbereitung einer Einzelausstellung in der Staatlichen
Tretjakow-Galerie beginnt er eine - politisch akzeptable
-künstlerische Vergangenheit zu konstruieren.
Er malt parallel kubofuturistisch, impressionistisch und
realistisch und datiert die späten Werke um zwanzig Jahre vor.
Keine Frage, darunter befinden sich, vor allem im
kubofuturistischen Bereich, auch eindrucksvolle Werke. Doch
die Gesamtheit spricht von unfreiwilliger Anpassung und von
dem Versuch, nach dem mit den suprematistischen Bildern
erreichten Höhe- und Schlusspunkt weiterzuarbeiten.
Die Gesichtslosigkeit vieler Gestalten mag in diesem
Zusammenhang tiefer als nur formalistisch interpretiert
werden. 1935, als Malewitsch an Krebs stirbt, hinterlässt er
als letzte Werke renaissancehafte Porträts von sich und seiner
Familie.
Die Ausstellung ist also, fernab der Superlative ihrer
Werbung, ein Anlass der Reflexion über Höhen und Tiefen
künstlerischer Arbeit. |