Der künstlerische Anarchist


Sie gelten eher als medienscheuer Künstler. Genießen Sie es kein bisschen, berühmt zu sein?

Medienscheu stimmt insofern nicht: Wenn es um die Arbeit geht, bin ich gerne bereit Auskunft zu geben. Was ich nicht mache, ist, mein Privatleben zu zelebrieren, in Richtung Seitenblicke etc. Das liegt mir nicht. Ich halte es aber anderen auch nicht unbedingt vor. Wenn da jemand das Bedürfnis hat, sich auf diese Weise bekannt zu machen, muss man das ihm überlassen. Ich persönlich habe keine besondere Gabe dafür.

Die aktuelle Ausstellung läuft unter dem Titel "Leuchtstoff-Poesie", benannt nach Ihrem jüngsten Zyklus von Bild-Dichtungen. Eine Abkehr von den dunklen Stoffen, die Ihr Werk oft bestimmt haben?

Die Leuchtstoff-Poesie ist letzten Endes nichts anderes als eine Umschreibung von Bild-Dichtung. Leuchtstoff ist die Farbe, und Poesie ist die Dichtung. Ich bin halt ein bisschen ein Titel-Fetischist und bezeichne alle meine Ausstellungen mit einem Über-Titel, und in diesem Zusammenhang ist mir das eingefallen. Abkehr von den düsteren Ausdrucksformen ist es allein schon deshalb nicht, weil die Bild-Dichtungen, die gezeigt werden, alle Sparten umgreifen, vom Einfachen, Heiteren, fast Märchenhaften, bis zu sehr düsteren Sachen. Das Buch selber ist auch nicht nur von einem Gestus dirigiert, der auf Leuchtstoff hinarbeitet, da gibt es auch viele dunkle Seiten. Ein bisschen irreführend, würde ich sagen. Aber man kann ja auch die schwarze Farbe als Leuchtstoff bezeichnen.

Ist der Humor, der ja in Ihren Texten und Bild-Dichtungen unübersehbar ist, Überlebensstrategie oder besitzt er für Sie einen eigenen Erkenntniswert?

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Er besitzt einen Erkenntniswert allein schon deshalb, weil der Humor für mich auch eine Flucht ist vor Tendenzen in mir, die traditionsgemäß eher zur Selbstattacke und Selbstzerstörung neigen. Das kann man durchaus psychologisch erklären, aber die Werke erklären das ohnehin. Wenn ich mich in das Feld des Humors begebe, dann habe ich das Gefühl, ich habe mich ein bisschen an der Schlinge aus dem tiefen Wasser gezogen.

Besonders in Ihrem Frühwerk war die gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit nicht-bewältigter Nazi-Zeit und kultureller Rückständigkeit in Österreich Impuls gebend. Welche Herausforderungen sehen Sie für kritische Kunst im 21. Jahrhundert?

Das ist im Moment leider Gottes relativ einfach zu beantworten, wenn man die Dinge auf Österreich bezieht. Man sollte normalerweise nicht allein das eigene Land in den Vordergrund rücken, aber es hat sich eben selbst in den Vordergrund gerückt. Ich versuche schon, dazu Stellung zu nehmen. In der nächsten Woche, oder in 14 Tagen, wird auf der Fassade der Secession ein neun Meter großes Prospekt von mir erscheinen, das sich mit der Österreichfrage in einem Satz kritisch auseinandersetzt. Ich greife dann wieder auf die österreichische Flagge zurück wie im Jahr 68, als ich auch die österreichische Flagge als Hintergrund für eine Aktion verwendet habe.

Wie würden Sie Ihre Position zur aktuellen politischen Lage in Österreich umschreiben?

Dem allseits Bekannten kann ich auch nicht viel mehr hinzufügen. Aber man kann natürlich prinzipiell behaupten, dass die Freiheitliche Partei Österreichs eine extrem kunstfeindliche Partei ist, was sie über Jahrzehnte bewiesen hat. Auch wenn die Damen und Herren dieser Gruppierung immer wieder betonen, dass sie für die Freiheit der Kunst sind, wenn es dann Beispiele der grenzüberschreitenden Künste gibt, sind sie allemal wieder auf dem Sockel und schreien nach Volksbefragung etc., oder versuchen überhaupt, Dinge zu verhindern. Dazu gesellt sich eine leider so häufig gelesene Boulevardzeitung, die bei solchen Aufrufen gerne mitmacht, und dann Künstler diffamiert, ohne überhaupt die Intentionen dieser Leute zu kennen. Die bekannten Fälle wissen wir ja. Es geht nicht darum, dass an gewissen Kunstäußerungen Kritik ausgeübt wird, es geht darum, wie diese Kritik ausfällt. Wenn beispielsweise eine Zeitung ein Foto von Kolig veröffentlicht hat, auf dem er sein Baby wickelt, und darunter steht der Satz: "Was macht der Mann mit diesem Baby?", dann ist das schon gemeingefährlich.

Denken Sie, dass aktionistische Kunst, wie Sie sie in den 60er Jahren praktiziert haben, heute wieder Aktualität gewinnen könnte?

Naja, das Problem ist: Die Praxis, die ich in den Aktionen ausgeübt habe, war schon ein bisschen anders als beispielsweise bei Hermann Nitsch. Ich war mehr auf der anarchistischen Linie, worunter ich nicht Bomben schmeissen verstehe, sondern künstlerischen Anarchismus. Man darf auch nicht übersehen, dass viele Dinge durchaus nicht politisch gemeint waren. Das Programm war nicht eine Attacke auf Staat und Kirche, diese Attacke hat sich automatisch ergeben. Was soll das für eine politische Aktion sein, wenn ich mich im Jahre '65 weiß bemalt habe und mit einem schwarzen Strich geteilt durch die Innenstadt spaziert bin, bis ich von der Polizei aufgehalten wurde und eine Strafe wegen Störung der öffentlichen Ordnung bekommen habe. Das war nicht unbedingt eine politische Attacke. Eines könnte allerdings schon darauf hinweisen: Der Zielort sollte der Stephansdom sein, und der Ausgangspunkt war der Heldenplatz. Wenn man dahinter etwas sieht, ist das gerne von mir akzeptiert.

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