Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien

Immer der Größe nach

Aufzählung (cai) Ein Schnitzel verändert die Persönlichkeit wahrscheinlich nicht. Brokkoli schon eher (der verursacht Blähungen). Und Schnaps ganz sicher. Man ist also vielleicht doch nicht, was man isst, sondern was man trinkt. Wurscht. Es kommt sowieso nur auf das Eine an: Wer hat den Größeren? Äh, Magen? Nein, natürlich den größeren Freundeskreis. Auf Facebook. Sämtliche Freunde eines Facebook-Users (und so einer sammelt die ja wie Rocky Balboa Briefmarken, äh: blaue Flecken) hat Hubert Blanz in ein dunkles Kammerl der Fotogalerie gestopft. Und weil viele Menschenauf einem Fleck halt Lärm machen, ist die Ausstellung auch so anstrengend laut. Thema: Identitätsstiftung. Und Beliebtheit ist wohl äußerst identitätsstiftend.

Okay, das Kammerl ist eh leer. Lediglich die Namen der Freunde werden penetrant vorgelesen, und dazu wird auf die Wand ein verwirrendes grafisches Schema der virtuellen Kontakte projiziert. Stressig. Der schurkisch lachende Guerillero ist aber kein Freund. Der tobt sich mit seiner Zigarre und seiner Handgranate in einem separaten "Raucherbereich" aus: in einem Fernseher. Außerdem ist er nicht echt. Shahram Entekhabi spielt den "finstren Ausländer" bloß. Mit hinreißender Selbstironie. Und die harmlosen Urlaubsfotos? Sind nicht harmlos. Sind total verlogen. In wildfremden Familien mimt Trish Morrissey absolut glaubwürdig die Mutter, Ehefrau oder Tochter. Ist das diese ominöse Mehrfachbelastung? Und Oreet Ashery hat den Nahostkonflikt gelöst. Na ja, quasi. Sie hat sich als jüdischer Mann, dann als Palästinenser verkleidet und vom selben Straßenkünstler porträtieren lassen, um ihre Identität zu bestätigen. Wenn jetzt alle FrauenMänner würden und alle Juden Palästinenser ..., nein, das ist doch nicht das Rezept für den Weltfrieden.

Fotogalerie Wien
Währinger Straße 59/im WUK, 1090 Wien
"Identität II – Identitätsstiftung", bis 29. September
Di. – Fr.: 14 – 19 Uhr, Sa.: 10 – 14 Uhr

Die Leichtigkeit des Nichts

Aufzählung (cai) So, jetzt wird’s kompliziert. Roman Pfeffer setztsich nämlich sehr, sehr konzeptuell (na servas!) mit Ereignissen aus der Kunstgeschichte auseinander. 1953 etwa hat Robert Rauschenberg eine Zeichnung von de Kooning mühsamst ausradiert. Eine Beschreibung dieses Vorfalls (Technik: Schrift auf Papier) hat Pfeffer nun seinerseits ausgelöscht (obwohl der Text eh keine Weltliteratur ist). Nicht mit Tipp-Ex, sondern indem er alles zugekritzelt hat bis auf die Worte "eliminate the drawing". Eine Aufforderung zum Ikonoklasmus? Der leere Sockel hier im Raum ist ja sicher auch das Manifest eines Bilderstürmers: Weg mit der Kunst! Ja, wenn das ein Sockel wäre . Und kein Buchstabe. Ein I? Nein, ein T. (Hä? Wieso? A so: künstlerische Freiheit.) Aber die Holztafel, die fast nur aus einem Loch besteht, die wird doch wenigstens ein ikonoklastisches Andachtsbild sein. (Ein bissl trocken vielleicht.)

Kunstbüro
Schadekgasse 6 – 8, 1060 Wien
Roman Pfeffer, bis 10. September
Mi. – Fr.: 15.30 – 19.30 Uhr, Sa.: 13 – 15 Uhr

Die Prinzessin schlägt zu

Aufzählung (cai) Aus Stroh können sie natürlich kein Gold spinnen, in der Schmuckschule Alchimia in Florenz. Das kann nur das Rumpelstilzchen. Aber Joanne Huang macht immerhin aus Zigarettenstummeln Ohrstecker. (Nein, sie stopft sich nicht einfach eine Kippe in jeden Gehörgang.) Bei Doris Maninger verpuppt sich eine Brille in einen textilen Kokon und verwandelt sich in einen Schmuckling, nein: Halsschmetter, ach, in eine Kette halt. Ähm, sind Geraldine Nishis zuckerlfarbene Klunker aus Beton Schlagringe für Prinzessinnen? Der ungenierte "Kindergartenstil" ist schon gewagt.

Galerie V & V
Bauernmarkt 19, 1010 Wien
"Es war einmal .. .", bis 16. September
Di, Mi, Do: 15 – 19 Uhr, Fr., Sa.: 11 – 18 Uhr



Printausgabe vom Mittwoch, 08. September 2010
Online seit: Dienstag, 07. September 2010 18:27:00

Kommentar senden:
Name:

Mail:

Überschrift:

Text (max. 1500 Zeichen):

Postadresse:*
H-DMZN07 Bitte geben sie den Sicherheitscode aus dem grünen Feld hier ein. Der Code besteht aus 6 Zeichen.
Bitte beachten Sie dabei die Groß- und Kleinschreibung!


* Kommentare werden nicht automatisch veröffentlicht. Die Redaktion behält sich vor Kommentare abzulehnen. Wenn Sie eine Veröffentlichung Ihrer Stellungnahme als Leserbrief in der Druckausgabe wünschen, dann bitten wir Sie auch um die Angabe einer nachprüfbaren Postanschrift im Feld Postadresse. Diese Adresse wird online nicht veröffentlicht.

Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at