Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Katastrophe im Salon

Secession: Stefan Sandner, Dave Hullfish Bailey und Kristina Leko
Illustration
- Kristina Lekos „Grafisches Kabinett“ aus Sammelobjekten von Leihgebern.  Foto: Secession/Matthias Herrmann

Kristina Lekos „Grafisches Kabinett“ aus Sammelobjekten von Leihgebern. Foto: Secession/Matthias Herrmann

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Stefan Sandner setzt nach Eva Schlegel die österreichischen Karrieren in der Secession fort – passend zum Haus eine weitere Befragung des Mediums Malerei in abstrakt-konzeptueller Richtung. Allerdings werden die Wahrnehmungstheorien etwa der amerikanischen Minimalisten um einige neue Aspekte bereichert: neben direkter Wirkung ist der Reiz der Erinnerung an die Kunstgeschichte einbezogen.

Am Ort der Geburt der Abstraktion aus dem Ornament im Beethovenfries Gustav Klimts kommt die Figur nach ihrem Verschwinden durch die Hintertür wieder herein und doch ist sie bei Sandner auch ein abstraktes Zitat. Bild als Bildobjekt der "Shaped Canvas" bietet dann weitere Facetten rund um die Erkenntnisse heutiger Wahrnehmung und Interaktion mit dem Publikum. Unverrätselt hat der Künstler seine großen Formate einfach nur in einer Reihe an die Wände des kapellenartigen Raums gehängt und ermöglicht so die Erfassung einer heterogenen Serie.

"Im Grafischen Kabinett" hat Kristina Leko aus Zagreb mit Hilfe von Teilhabe anderer einen neuen Salon gebaut – auch wenn er früher eher im Künstlerhaus zu suchen war, ist das Projekt "Beweis Nr. 4: Jede/r Mensch ist ein/e Künstler/in" auch mit wenig Wissen auf den Ausspruch von Joseph Beuys 1972 bezogen. Leko integrierte Porträts, die durch einen Kurs für die "Volkshilfe Beschäftigung" entstanden sind, mit Gegenständen, die Freunde und Mitglieder der Secession als Sammelobjekte borgten. Dazu gibt sie am Plakat die "Zwölf Grundregeln einer Ethik für Künstler/innen" bekannt, die wohl für die Kollegenschaft ein wenig zu politisch korrekt und als neue zwölf Gebote Kunsterziehung und Religionsstunde annähern.

Besonders interessant scheint der Bezug zu Secession, den der amerikanische Künstler Dave Hullfish Bailey mit seinen Installation "Elevator" herstellt. Es handelt sich um Getreide und seine wirtschaftliche Dimension. Grund ist nicht nur der nahe Getreidemarkt, sondern die Zweckentfremdung der Secession als Getreidesilo während des Zweiten Weltkriegs. Doch diese Ironie wäre Baileys komplexem Blick auf katastrophale Strukturen, Konflikte und Instabilität zu wenig: Es geht auch um die Skandalgeschichte der ultramodernen Architektur Josef Maria Olbrichs in Reaktion auf den Historismus. Noch eine Schiene zum Getreide ortet der Künstler in den Speichern des Albaner Hafens (aus nationalsozialistischer Zeit). Dort hatte es durch die Feinstaub-Reaktion beim Zermahlen von Getreide mit Luft schon einmal eine Explosion mit anschließendem Brand gegeben. Bleibt zu hoffen, dass die Secession als revolutionärer Kunsttempel von diesen Katastrophen verschont bleibt.

Secession, Friedrichstraße 12, 1010 Wien

Bis 25. Juni

Kunstpolitisch.

Freitag, 19. Mai 2006


Wiener Zeitung · 1040 Wien, Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Mail: online@wienerzeitung.at