Salzburger Nachrichten am 8. Juni 2005 - Bereich: kultur
Malen mit feinen Stoffen Die Ausstellung
"Wollenkunst" im Wiener Künstlerhaus zeigt, wie Studenten von Christian L.
Attersee die Teppichkunst neu beleben.
LASZLO MOLNARWIEN (SN). Es sei eines der ältesten Handwerke der Welt,
sagt der Maler Christian Ludwig Attersee, und meint damit die
Teppichkunst. Gewebt und geknüpft habe der Mensch seit jeher, um sich mit
Stoffen zuzudecken oder daraus Kleidung zu machen. Er liebe dieses
Handwerk und tue daher alles, um es auch heute zu erhalten. Denn in
Österreich gebe es keinen einzigen Teppichhersteller mehr. So eröffnete der Künstler die Ausstellung "Wollenkunst", die die Wiener
Universität für Angewandte Kunst seit gestern, Dienstag, im Künstlerhaus
am Karlsplatz zeigt. Studierende von Attersees Klasse an der
"Angewandten", die sich im Übrigen mit Malerei, Tapisserie und Film
befasst, zeigen im ersten Stock des Künstlerhauses, wie sie sich
gestalterisch mit Knüpfen, Weben und Flechten ausdrücken können. Kunstwerke aus Stoff herzustellen hat eine lange Geschichte. Einen
Höhepunkt erreichte die Kunst in flämischen und französischen Tapisserien
und Gobelins im 17. und 18. Jahrhundert. Aber auch von Künstlern des 20.
Jahrhunderts wie Joan Mirò gibt es farben- und formenprächtige
Teppichkunstwerke. Die Entwürfe aus Attersees Klasse - es seien an die vierzig Studenten
in der Tapisserie, sagte Attersee - sind sämtlich abstrakter Natur. Form
und Farbe schaffen den Ausdruck, hinzu kommt die spezielle Struktur der
jeweiligen Technik. Besonders aufwändig seien die Gobelins, sagt Attersee,
und weist auf die Arbeit von Karina Thier aus Oberwart, bei der die
Struktur des Stoffes dem Verlauf des Musters in kunstvoll gewundenen
Linien folgt. Alle Tapisserien haben ein großes Format von etwa 120 mal 180 cm; die
Studierenden haben die Teppiche und Gobelins nicht nur entworfen, sondern
auch die Wolle selbst gefärbt und die Stücke selbst gewebt. Nach dieser
handwerklich-kunstvollen Methode brauche ein Teppich für seine
Fertigstellung mindestens ein Jahr, sagte Attersee. Den Besucher der Ausstellung begrüßt aber nicht ein Teppich, sondern
eine den ersten Raum füllende Installation mit dem Titel "Wo Nofretete
wohnt". Hier konnten die Studenten ihrer Knüpf- und Flechtfantasie mit
allen Stoffen, die weich und biegsam sind, Lauf lassen. Der radikalste
"Teppich" besteht dabei aus Stacheldraht, in den Plastikrohre
hineingeflochten wurden. Der Rektor der "Angewandten", Gerald Bast, bestätigte, dass in
Österreich die Kunst des Teppichknüpfens kaum mehr bekannt sei. In
Frankreich hingegen erhalte man die Kunst am Leben, indem der Präsident
bei jedem Staatsbesuch einen Gobelin als Gastgeschenk dabei habe. Die
Arbeiten im Künstlerhaus zeigen, dass sich Österreichs Repräsentanten für
solche Mitbringsel auf keinen Fall schämen müssten.Bis 3. Juli, Di. bis
So. 10 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Eintritt frei. Katalog 17 Euro. |