VON CHRISTA DIETRICH E-MAIL:
christa.dietrich@vn.vol.at
Bregenz (VN) Mitte September dieses
Jahres ist "Kunst.Vorarlberg", jenes Forum für bildende Künstler,
dessen Gründung so viel Aufregung erzeugte, ein eingetragener
Verein. Lisa Althaus, dessen Sprecherin, ist amüsiert, wenn ihr
öffentliches Auftreten immer noch mit "hier kommt die Revoluzzerin"
kommentiert wird. Dabei setzt die Vorarlberger Künstlerin "nur" auf
Vielfalt und Pluralität.
"VN": Frau Althaus, als klar wurde, dass
sich in Vorarlberg ein zweiter Kunstverein neben der
Berufsvereinigung gründen wird, sind die Wogen hoch gegangen. Die
Diskussion ging nicht ohne Untergriffe ab. Wie haben Sie sie erlebt?
Althaus: Viele Untergriffe sind bei mir nicht
angekommen. Zu sagen, dass wir die Revoluzzer sind, das setzt
voraus, dass man dieses monopolistische System völlig verinnerlicht
hat, es Gesetz hinstellt. Das kann ich nicht.
"VN": Im Gespräch mit einigen Mitgliedern der
Berufsvereinigung, auch mit jenen im Vorstand, konnte man
feststellen, dass man der Meinung war, dass die Leute von
"Kunst.Vorarlberg" so etwas wie einen Umsturz herbeiführen wollten.
Althaus: Dieses Umstürzen setzt voraus, dass ich
den Monolith Berufsvereinigung als normal empfinde. Für mich stellt
sich die Frage, warum ich das Ding überhaupt umstürzen sollte, wenn
ich Vielfalt und Pluralität als normal ansehe. Wir sind
Freiberufler, die Beweglichkeit ist unser Vorteil.
"VN": Mit wie viel Mitgliedern fängt
"Kunst.Vorarlberg" an zu arbeiten?
Althaus: Es gibt um die 20 Gründungsmitglieder und
eine ganze Reihe von Interessenten. Diese Interessenten sind noch
nicht aufgenommen, ein Aufnahmegremium wird noch installiert.
"VN": Ist das so eine Art Vorstand?
Althaus: Nein. Die Kommission wird völlig flexibel
sein. Es wird auch daran gedacht, dass man jemanden von außen
hereinnimmt. Diese Kommission wird zwingend rotieren. Das finde ich
sehr wichtig. Es müssen in dieser Kommission je nach Bewerbung auch
Leute drin sein, die kompetent sind, um zum Beispiel Arbeiten mit
neuen Medien beurteilen zu können.
"VN": Welchen Aufgaben wird "Kunst.Vorarlberg" im
Wesentlichen nachkommen? Grundsätzlich wurde ja doch festgestellt,
dass die Berufsvereinigung einige ihrer Aufgaben nicht wahrnimmt.
Althaus: Die wesentliche Aufgabe ist es, die
Interessen der Künstler zu vertreten. Konkret frage ich mich, was
Freiberufler brauchen. Einerseits ist da ein enormes
Informationsbedürfnis. Denken Sie nur an die
Künstlersozialversicherung. Man ist gerade hier in Vorarlberg darauf
angewiesen, ins Ausland zu gehen. Die beim Finanzamt bemühen sich
sehr, aber es gibt immer wieder neue Bestimmungen, über die viele
Künstler gerne Bescheid wüssten.
"VN": Ist es für die Künstler in der Tat so
schwierig, an diese Informationen zu kommen?
Althaus: Ja, es gibt zwar in Deutschland den
Berufsverband, der ist aber auf deutsche Künstler ausgerichtet. Für
uns, die wir so grenznah arbeiten, ist es enorm wichtig, sich
auszukennen.
"VN": Der Austausch wird immer wieder zitiert. Kann
da ein Kunstverein wirklich etwas tun?
Althaus: Freilich. Man kann Kontakte zu
Kunstakademien herstellen. Ich denke auch, dass es gut wäre, bei
deutschen Kunstvereinen auszustellen. Deutsche Galeristen mögen
nicht, wenn man sie als Künstler anspricht, sie sehen sich aber
Ausstellungen in Kunstvereinen an. Es gibt Kunsthäuser, die sich
gerne an einem Austausch beteiligen. Als Künstler muss man schauen,
dass man das Gebiet, in dem man tätig ist, erweitert.
"VN": Sie konnten ja nun zahlreiche Erfahrungen im
Ausland sammeln.
Althaus: Ja. Ich bin mit 21 aus Vorarlberg
verschwunden und war über 20 Jahre weg. Ich schätze die Offenheit.
Im kleinen Raum besteht die Tendenz, etwas reglementieren zu wollen
indem man einfach Funktionäre vorne dransetzt.
"VN": Und dann gibt es in Vorarlberg ja diese
Seilschaften. Sehen Sie eine Möglichkeit, sie durch die Gründung
eines zweiten Kunstvereines zu brechen?
Althaus: Ja, das könnte ich mir vorstellen. Wenn
nur einer da ist, der definiert, was gemacht wird, der definiert,
wer Künstler ist, ist die Geschichte eben monopolisiert. Wenn die
Situation offener ist, erzeugt das eine Lockerheit.
"VN": Es könnte sich die Diskussion in nächster Zeit
aber auch verschärfen. Für manche waren die Seilschaften angenehm,
für manche nicht, weil die selben Leute ja in Kommissionen sitzen
bzw. in der einen oder anderen Jury.
Althaus: Das sind die schlimmen Sachen der
Monopolsituation. Wichtig wäre eben eine gute Streitkultur.
"VN": Werden Mitglieder von "Kunst.Vorarlberg" dann
eben auch versuchen, in Kommissionen und Entscheidungsgremien zu
kommen?
Althaus: Da gibt es keine konkreten Bestrebungen.
Im Moment haben wir Wichtigeres zu tun, Aufnahmekriterien zu
erstellen zum Beispiel.
"VN": Das Palais Liechtenstein in Feldkirch steht als
Ausstellungshaus zur Diskussion.
Althaus: Ja. "Kunst.Vorarlberg" wird aber sicher
auch andere Lokalitäten bespielen.
"VN": Wird man Subventionen brauchen?
Althaus: Ja, ich denke schon. Es ist ja auch eine
sinnvolle Arbeit, die wir machen.
"VN": Sind Künstlerinnen in Vorarlberg benachteiligt?
Althaus: Das ist eine schwierige Frage.
Grundsätzlich denke ich, dass sie nicht benachteiligt sind, aber sie
sind durch die Gegebenheiten benachteiligt. Es sind wenig Frauen in
Netzwerken drin. Ich denke aber, dass die Männer nicht gezielt
beraten, wie sie Frauen ausschließen.
"VN": Was wären Gegeninitiativen?
Althaus: Mitmischen und sich einbringen. Das ist
wichtiger und erfolgversprechender als zu glauben, dass wir andere
Strukturen brauchen. Die haben wir dann in 100 Jahren noch nicht.
"VN": Gibt es etwas, was in Vorarlberg generell
abgeht?
Althaus: Ich denke da an die Marktsituation.
Vorarlberg ist sehr klein. Das kann Vorteile haben, aber es muss
eine Öffnung nach außen stattfinden. Wir haben die beiden reichsten
Bundesländer Deutschlands über der Grenze. Man muss nur die Grenze
im Kopf wegkriegen.
"VN": Und die Kulturpolitik in Vorarlberg bzw. in
Österreich?
Althaus: In Vorarlberg gibt es im Moment gute
Ansätze.
"VN": Und in Österreich ist vom Sparen die Rede.
Althaus: Sparen ist die eine Sache, was sicher
nicht geht, ist, wenn der Staat sagt, wir unterstützen nur Leute,
die uns genehm sind. Da muss man auf der Hut sein.
Lisa Althaus: "Viele Untergriffe sind bei mir nicht
angekommen."