15.05.2002 10:58 MEZ |
The VAMPIRIC as a mode
Die Autorin, Künstlerin und Philosophin Judith Fischer im
Gespräch über ihre Arbeit am VAMPIRIC Researchprojekt, die Vampirin und
das Blut
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Webhinweis
Termine Vampirinnenvideothek / Gothic Sound im Rahmen von 2002 Soho in Ottakring. Flüchtig daheim. (25.5. bis 8.6.2002) Fr., 31. Mai ab 20.30 Uhr Ort: Harald’s Bar, Grundsteingasse 15 / Hof Mo., 24.6.02, 18.3o Uhr Frauenhetz (Hetzgasse 42/1, 1030 Wien) |
fear and strange delight (21) she felt her wound.(27) the ghosts of the underworld can only be feed on blood. (54) excited in me an admixture of revulsion and respect that i found hard to explain, so powerfully and immediately it affected me (67) the obvious there can be no life without tumult or desire. (87) pleasures of the mind - and of the blood. (99) (Tom Holland: The Vampyre. The Secret History of Lord Byron. 1995. aus: VAMPIRIC Researchprojekt von Judith Fischer)
Die Autorin, Künstlerin und Philosophin
dieStandard.at Woher kommt Ihr intensives Interesse für
die Vampirin, den Vampirismus? Judith Fischer Die ersten Interessen in der Richtung hatte ich während ich Medizin studiert habe, Psychatrie hat mich besonders interessiert. Ich habe mich dann eine zeitlang für ein Buch, das ich gemacht habe, mit Serientätern beschäftigt, eine Recherche gemacht, wo sozusagen die Gesellschaft das "evil" oder das Böse verortet, in welchen Menschen, oder ob es das gibt - das ist überhaupt die Frage, die im Mittelpunkt steht. Ich habe mich mit einem Text sehr lang auseinander gesetzt, einem Märchen, nämlich mit "Snowwhite", mit Schneewittchen. Darüber habe ich dann 1998 eine Ausstellung gemacht, in der Kunsthalle Exnergasse, und über einen Artikel, über die Farbsymbolik, die in Schneewittchen auch vorkommt, dieses schwarz-weiss-rot, und diese Beschäftigung mit diesem Märchen, das eine archaische Erzählung ist, auch eigentlich ein Genre, das in allen Kulturen vorkommt, bin ich dann über die Beschäftigung mit Schneewittchen als Leiche und als Fetisch irgendwie zur Vampirin gekommen - zur Frage, was ist die dunkle Göttin, was ist die ganze Projektion? Zum Vampirthema, eigentlich zum Vampirinnenthema, weil ich mich
vorallem mit Vampirinnen beschäftige, um dieser Dracula-Lastigkeit
entgegenzuarbeiten, bin ich über ein Genre einer Literaturrichtung
gekommen, die im englischsprachigen Raum bekannt und wichtig ist: female
gothic. Also Mary Shelley, 18.- Jahrhundert-Romane, Romantik. Es gibt auch
im Deutschen die "Schwarze Romantik". dieStandard.at Welche Theorien? Ich habe mich interessiert für psychoanalytische Theorien, bei Zizek z.B., das Vampirische als Trieb, vordialektisches Begehren, usw. Dann erst bin ich zur Beschäftigung mit Film gekommen und zu diesem Subgenres des Horrorfilms, dem Vampirfilm, dem Vampirinfilm, bzw. mit Filmen, in denen Vampirinnen vorkommen. dieStandard.at Eine andere Art von Material also, mit dem Sie wie umgegangen sind? Judith Fischer Ich habe begonnen, diese Screenshots zu
machen, die für mich immer wichtiger geworden sind, im Gegensatz zu einem
Still. Ein Still aus einem Film ist ja sehr oft eine Fotografie, die in
dem Film auch nicht enthalten sein muss, eine Standfotografie, die am Set
gemacht wird. Der Screenshot ist für mich eine Arbeit, die vorm Bildschirm
in einer privaten Lektüresituation passiert und für mich etwas zu tun hat
mit einem idiosynkratischen Lesevorgang. Und mein Researchprojekt für
Holland hat auch geheißen: dieStandard.at Idiosynkratisch? Judith Fischer Idiosynkratisch meine ich in einer Weise, dass z.B. der Rezeptionsprozess oft mit der Verfügbarkeit zusammenhängt: Wo kann ich welches Video bekommen, in welcher Reihenfolge sehe ich Videos? Es ist sehr interessant, wenn man ein Video nochmal sieht, nachdem man zwanzig andere gesehen hat: Man sieht was anderes, man weiß was anderes. Es gibt ganz interessante Interdependenzen in diesem Prozess. Idiosynkratisch meint auch: Ich geh jetzt nicht historisch vor, oder mit einem Raster, wie wenn ich jetzt eine feministische Forschung machen würde, und wüsste, diese zehn Filme sind so und so, und schau sie mir der Reihe nach an, sondern ich versuche, Momente des Zufalls, der Verfügbarkeit zu verkeilen. In diesem Genre muss man davon ausgehen, welche Videotheken gibts an welchen Orten, welche Verfügbarkeit an welchen Filmen herrscht da, welche Kopien gibts, sindРdie untertitelt, sind die geschnitten usw. So eine offene Recherche ist mir sehr wichtig, sie führt halt sehr leicht zur Obsession, wird zum Prozess des Suchens, des Ergänzens und des Sammelns. Das finde ich sehr spannend, weil halt unerwartete Momente auftreten können. Wenn man sich jetzt z.B. Filme wirklich ansieht, bevor man schon die Rezeptionsgeschichte kennt zu dem Film, oder sie nicht nur als Beleg für eine Theorie, sieht man auch ganz andere Dinge. Ich habe das dann verglichen mit feeding und biting, hab damit ein bisschen gespielt. Und dahinter liegt ein Interesse, so wie für den Vampirismus auch, wo ich mich frage, wie kann es kreative Produktion geben, jetzt, immer auch als ein Rezeptionsprozess, als eine Einverleibung, eine Inkorporation, in den eigenen Prozess, als vampirischen Akt, auch um einen Gegenbegriff zu einer Schöpferidee von Kreativität zu entwickeln. that girl had the ethcics of a virus dieStandard.at Was sehen Sie in der Vampirin? Judith Fischer "Our Vampires, Ourselves", um es mit Nina
Auerbach zu sagen. Im Vampirinfilmgenre zeigen sich in der jeweiligen
Konfiguration der Vampirin bestimmte zentrale Themen, die in einem
bestimmten Jahrzehnt verhandelt werden, es gibt z.B. Theorien zum Aufbau
anderer familiärer Strukturen oder Interesse an der eher unbestimmten
Sexualität der Vampirin. Sie ist an sich keine heterosexuelle Frau, sie
hat transgressiven Charakter. dieStandard.at Wie sieht diese Verführung aus? Judith Fischer Man muss unterscheiden zwischen den Formen der
Vampirisierung: Es die Form, in der die andere Person reines Futter ist,
also um diesen Hunger zu stillen, aber es gibt auch die Vampirisierung, in
dem es zu einer Art Infektion kommt oder zu einer Art Reproduktion,
nämlich dass die andere Person, die vampirisiert wird, selber zur/m
Vampir/in wird. Das ist dann eine Sache im Genrefilm: Das geht entweder
schnell oder nicht, kann verhindert werden oder nicht etc. Das Vampirinthema hängt auch stark zusammen mit dem Tod und dem, was zurückkommt, was nicht tot ist, was tot ist, was lebendig ist, wie man sich von den Toten schützt, die zurückkommen. Aber anders als die Zombies erkenne ich die VampirInnen nicht. Ein Zombie ist ja voller Erde oder er geht komisch. Aber die Vampirinnen sehen ja wie Menschen aus, sind Erscheinung, sind Form. Und es dreht sich auch immer um den Tod der Vampirin, wird sie jetzt gepfählt? Wird sie dem Sonnenlicht ausgesetzt? Es gibt bestimmte Weisen des Tötens. Im Film sehr beliebt ist eben, dass sie dem Sonnenlicht ausgesetzt werden kann und dort zu Staub zerfällt, da sie im Licht nicht existiert. Indem sie zu Staub zerfällt, erweist sie sich als Projektion oder Illusion. Die Vampirinnen haben in dem Sinn kein eigenes "Leben", sie müssen sich immer Leben zuführen. Ein Problem gibt es für die Vampirin, generell gesagt: die Liebe. Die Liebe, das Sich verlieben der Vampirin, ist sozusagen der Verzicht auf ihre vampirischen Akte, die aber notwendig sind, also Verzicht auf den Trieb. Im Genrefilm ist das aber öfters ein Problem der männlichen Vampire, weniger von Vampirinnen, muss man sagen. Im Film führt die Liebe auch öfters zum Selbstmord, also eher zu einer Selbstopferung, oder zum Versuch, das vampirische Wesen zu überwinden. Es gibt viele Variationen zum Thema Vampirismus vs. Liebe. Das ganze hat natürlich auch etwas mit einer christlichen Idee von Liebe zu tun. Aber psychoanalytisch gesehen mit einer Art des Scheiterns. dieStandard.at Welche Rolle spielt das Blut für die
Vampirin und im Genrefilm? Judith Fischer Das Blut ist im Vampirinnenfilm eine ganz
zentrale Sache. Das Blut ist nicht nur eine Flüssigkeit, es gilt im
Antiken auch als Sitz der Seele oder der Lebensenergie. Es geht um einen
Austausch von Lebensenergie. horror is the genre that seems to endlessly repeat the trauma of
castration as if to "explain", by repetitious mastery, the originary
problem of sexual difference. dieStandard.at Ist das Genre generell nicht ein
sexistisches?
Judith Fischer Das Horrorgenre ist an sich kein
feministisches. dieStandard.at Wie sieht die Zukunft von VAMPIRIC
aus? Judith Fischer Die Mischung einer theoretischen, literarischen und künstlerischen Recherche, ein Mixverfahren, soll in einem Buch münden, das "Viola" heißen soll, oder "Vampiric Viola". Ein Buch, dass das Thema weder theoretisch bewältigt oder darstellt, oder rein künstlerisch umsetzt oder literarisch verarbeitet, sondern eine Art Spannungsfeld aufrecht erhält und eine Art Materialbuch wird. Es wird dabei keine durchgängige Theorie herauskommen, sondern Parallelideen, die in einer gewissen Weise vernetzt sind. Eine Kartografie, aber nicht, um das Gebiet zu kartografieren, oder zu kennen, sondern um bestimmte Punkte darin festzumachen. Ich glaube, das ist interessant, etwas in seiner Spannung oder Widersprüchlickeit zu belassen. Ich habe jetzt nicht die Richtung eingeschlagen, die Vampirin zur weiblichen Heldin zu erklären oder zur triumphalen feministischen Identifikationsfigur oder zur tragischen Heldin oder zum Opfer eines Systems, sondern es gibt verschiedene Aspekte daran, sie ist sehr multivalent - ein Knotenpunkt, an dem interessante Fragen angeknüpft und weiterentwickelt werden können. Fragen zur Visualität, zur Medialität, zur Gewalt, zu weiblicher Potenz, zur phallischen Frau, Fragen von Normativität und Grenzüberschreitungen, zu Fragen der Sicherung von Grenzen, was bewirkt Penetration etc. Ich will das in dieser Offenheit halten und eher wie ein Feld aufmachen, ein intensives Gebiet, in dem man sich anhand von bestimmten Fragen oder Überlegungen hineinbegeben kann.
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