Salzburger Nachrichten am 31. August 2005 - Bereich: kultur
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Comic-Kunst aus Japan: Die Schau "Uaaaaa!!! Manga" im Wiener MAK

MARIA STERKLWIEN (SN). Wieder einmal sind die Amerikaner schuld. Dass sich Mangas in ihrem Herkunftsland Japan verkaufen wie hier zu Lande die warmen Semmeln, geht auf die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg zurück. Damals versuchten die Vereinigten Staaten die japanische Bevölkerung mittels Comics politisch zu beeinflussen und gaben den Anstoß zu ersten Manga-Veröffentlichungen: Bildergeschichten in einer Verbindung von alter japanischer Holzdruck-Tradition und Walt Disneys Cartoonästhetik.

Längst sind die Mangas wichtige Träger japanischer (Trash-)Kultur. Der asiatischen Comic-Kunst hat das Wiener MAK die Ausstellung "Uaaaaa!!! Manga" gewidmet, die gestern, Dienstag, eröffnet wurde.

Das Kapitel Manga beschäftige ihn schon seit Längerem, sagt Ausstellungskurator Johannes Wieninger. Bisher sei es jedoch nicht gelungen, Künstler zu Leihgaben zu bewegen.

Mit Tokihiko Ishiki und Fuyumi Soryo gewann Johannes Wieninger nun zwei prominente Vertreter einer Manga-Bewegung, die in ihrer Heimat ebenso bekannt wie von Kunstkritikern geschätzt sind. Die Schau zeigt 56 vergrößerte Einzelbilder und ausgewählte Folgen von Ishikis Sport-Manga "Derby Jockey" und Soryos Mädchen-Manga "MARS".

Zu sehen sind damit zwei Beispiele einer Palette, deren Bandbreite so gut wie keine Themen auslässt: Von Schwulen- und Lesbenmangas über Kinder-, Sci-Fi- und politische Mangas bis hin zu pornografischen Werken ist auf dem japanischen Markt alles zu haben.

Die rund 300seitigen Magazine erscheinen wöchentlich in millionenfacher Auflage, werden in der U-Bahn gelesen und danach entsorgt. Seit ihrem Entstehen in den frühen 1950er Jahren hat sich die Mangakultur stark erweitert. Firmen lassen ihre Geschäftsberichte in Mangaform anfertigen, die Tokioter Polizei ihre Fahndungsmeldungen.

Die Ästhetik wurde zunehmend der japanischen Rezeption angepasst. Mangas werden von rechts nach links gelesen. Die Bilder greifen ineinander, lautmalerische Zeichen sind so stark in die Zeichnung integriert, dass sie kaum als solche wahrgenommen werden. Seit den 1990er Jahren wurden die Mangas um einzelne wenige Fotoillustrationen erweitert. Farbdarstellungen haben es jedoch bis heute nicht ins Manga geschafft, "um die Leser nicht vom Wichtigen abzulenken", wie Wieninger erklärt.

Den zeitlich reibungslosen Ablauf des Manga-Konsum-Zyklus garantieren übrigens statistische Berechnungen des japanischen Verlages Kodansha: Die Lektüre einer Seite beanspruche durchschnittlich vier Sekunden. Das ergibt bei einem 300seitigen Magazin eine gesamte Lesezeit von rund 20 Minuten. Selbst bei einem täglichen Arbeitsweg von nur zwei Minuten dürfte die wöchentliche Manga-Lektüre somit mühelos zu bewältigen sein."Uaaaaa!!! Manga - Zur Ästhetik einer Trashkultur", bis 4. Dezember 2005, Wien, Museum für Angewandte Kunst, Kunstblättersaal; Information: www.mak.at