Es geht ganz schnell. Schon nach wenigen Bewegungen und
Blicken werden die Schritte zögerlich, vorsichtig tastend. Sachte - die
Wächter wollen nicht geweckt werden. Traumschwer liegen drei dickbäuchige
Clowns am Boden der Wiener Kunsthalle. Archaisch eingemummt in Fell,
Federn, Jutestoff. Wie nach einer weiten Wanderung von schwerem Schlaf
übermannt.
An der Wand über ihnen eine optische Täuschung: Wie ein
Strudel fesseln gesprayte Farbkreise den Blick. Wozu das Bauchkribbeln?
Dahinter ist nur Mauerwerk - und doch ist der Blick in den Sog eine Art
Initiationsritual, das zum Eintritt in die wundersamen Welten des
Schweizers Ugo Rondinone berechtigt. Mit dieser Schau kehrt der in New
York lebende, auf kein Medium festzulegende Künstler nach Wien, den Ort
seiner Studienzeit, zurück.
Doch an welchem Ort wir uns hier in der Kunsthalle
befinden, ist nicht klar. Weiße Vorhänge in den Ecken des ersten Raumes
lassen zwei Durchgänge erahnen. Welchen soll man wählen? Läßt man sich von
sirenenhaftem Gesang nach vorne locken - oder schwenkt man nach rechts, wo
man Wortfetzen erlauscht?
Gesang im Labyrinth
Ein zögernder Blick auf die Clowns - doch sie können
nicht warnen, nicht raten. Die Zeit tickt hier nicht wie gewohnt, sie ist
seltsam stumm. In den "Sonderzonen für andere Zustände und
Befindlichkeiten", wie Rondinone seine Räume nüchtern nennt, läuft sie
anders. Langsam, träge, wie von Watte gedämpft. Die Wahrnehmung ändert
sich, man ist auf der Hut.
Die Flucht nach vorne: Vorsichtig schiebt man den Stoff
auf die Seite, hinter dem der Gesang ertönt. Den anschließenden Raum füllt
eine schillernde Konstruktion. Verspiegelte Säulen und Balken fügen sich
zu einer labyrinthischen Landschaft. In ihr reflektieren sich sechs
Videokästen an den Wänden, die eine eine endlose Zugreise ohne
Weiterkommen zeigen. Aus den Säulen schallt eine reizvolle Melodie. Als
wenn das hohle Gerüst ein Leben birgt, ein wunderschönes Wesen, gefangen
hinter glänzenden Spiegeln. Der von Beckett inspirierte rätselhafte Titel
der extra für Wien entstandenen Klanginstallation, "No how on", gibt auch
der Einzelausstellung den Namen.
Wieder an den Clowns vorbei in den dritten Raum. Ohne
Schuhe tritt man auf das Wellenmuster des glatten Bodens. Die Knie sind
weich. Durch Lautsprecher im Boden dringt ein Gespräch um Sex und
Verletzungen, es dreht sich im Kreis, nichts geht weiter. Selbst merkt man
sich bald ebenso gefangen: In welches Eck man auch weicht, nie entkommt
man dem sich auf dem Boden spiegelnden Lichtrahmen der Deckenbeleuchtung.
Drei räumliche Phantasien schließen sich in dieser
Personale zu einem Gesamterlebnis, ermöglichen Zustände, die einem die
Kunst heute so selten gewährt: das Ausschalten des Intellekts, das
Mutieren zu einem puren Sensor für Empfindungen. Vor allem wecken sie ein
abgestumpftes Verlangen: die Neugierde. Wehmütig kehrt man zu den Clowns
zurück. Sie bleiben hier, an einem Ort, nach dem man sich noch lange
zurücksehnen wird. Denn draußen tickt sie wieder, die Zeit, und das Leben
ist grell.
Bis 22. September, tägl. 10 bis 19 Uhr, Do. 10 bis
22 Uhr.
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