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100 Jahre Technisches Museum Wien

10.03.2009 | 18:35 | THOMAS KRAMAR (Die Presse)

Kluge Interventionen: Die Jubiläums-Ausstellung zeigt u.a. „Legends“, die „Sammlung der Sammlungen“ und eine „Ultimate Machine“.

Ein Quader aus Stein steht nun im Foyer des Technischen Museums: Es ist der Grundstein, gelegt sub auspiciis des Kaisers Franz Joseph II. am 20.Juni 1909, laut Zeitungsbericht „bei herrlichem Sommerwetter“. Davor liegt in einer Vitrine der vergoldete Hammer, den der Kaiser bei der Zeremonie verwendet hat. Das heißt: Es liegt dort ein Hammer, aber es ist eine Nachbildung aus dem Jahr 1968 – offenbar gefertigt anlässlich des 50.Jahrestags der Eröffnung des Museums am ersten Maisonntag 1918, die übrigens „ohne besondere Feierlichkeit“ vorgenommen wurde.

Etliche Stufen weiter oben hängt wie gewohnt die Ehrentafel mit der Aufschrift „Den Vorfahren zur Ehre/Der Jugend zur Lehre/Der Wirtschaft zum Nutzen“. Der Spruch ist original, die Tafel ist es nicht: Die erste, die an dieser Stelle gehangen war, wurde 1942 entfernt, weil sie den Namen des jüdischen Industriellen Bernhard Wetzler und des Bankhauses Rothschild trug.

An diesen Eingriff erinnert die ungarische Künstlerin Miriam Bajtala mit einer subtilen Intervention: Die neue Tafel bleibt unversehrt, die Erinnerung an die alte und die Geschichte ihrer Verdrängung durch den NS-Terror werden sichtbar und hörbar.

 

„Vernetzung“, das war schon 1979

Es ist dies eines der neun Kunstwerke, die zum Jubiläum ins Museum eingezogen sind – im Rahmen einer Jubiläumsausstellung, die sich durchs ganze Haus zieht, das ganze Museum kommentiert, dabei klarmacht, dass ein gutes Technikmuseum nicht nur Technikgeschichte erzählt, sondern auch Technikmuseumsgeschichte. So sieht man Plakate für Sonderausstellungen, die in den 100 Jahren stattfanden: „Neue Erfolge der Raumfahrt“, das war 1965; „Technik und Umwelt – ein schwedisches Modell“, das war 1976; „Unsere Welt – ein vernetztes System“, das war (schon!) 1979.

Welche Geschichte will eine Ausstellung erzählen? Die Frage ist äquivalent zu: Wie wählt und ordnet man die Objekte der Sammlung? In der herrlich obsessiven Arbeit „Memoseum“ hat sich Nikolaus Gansterer damit geplagt, neue Ordnungen auszuprobieren: nach Farbe etwa, in Kategorien wie „Vergessene Erfindungen“ oder „Umraumungen“. Penible Skizzen zu diesen – hilflosen – Ordnungversuchen kann der Besucher in einem Papiersackerl mit der Aufschrift „Sammlung der Sammlungen“ mitnehmen.

Werner Reiterer hat einen roten Lautsprecher ans Haus gehängt, der Technikgeräusche in die Welt ruft. Anja Manfredi hat Museumsmitarbeiter in szenischen Formationen fotografiert, als wären sie ein Performancekunstkollektiv. Oliver Hangl bittet das Publikum um Elektrogeräte, die er arrangieren wird: ein Kommentar zur Karriere von Alltagsgegenständen, die ja erst durch Abstauben, Archivieren, Arrangieren zu musealen Objekten erhöht werden.

Gerhard Treml hat selbst technische „Legends“ erfunden: Bill Gates' erste Schreibmaschine, Sigmund Freuds Fliegenpracker, die Hunde des sowjetischen Raumfahrtprogramms. Diese T-Shirts hat er Mitarbeiterinnen und Besuchern angezogen und sie als Pappfiguren dargestellt, die auf einer kleinen ewigen Rolltreppe immer wieder aufwärtsfahren. Das sieht nett oder fatal aus, je nach Gemüt des Betrachters, ist aber nicht so tückisch wie die Arbeit von David Moises: Er hat Gegenstände in die Vitrinen geschmuggelt, die dort nicht hingehören oder doch – aber wo, das blieb bei der Presseführung noch ein (spannendes) Geheimnis. Nur ein Geheimnis wurde gelüftet: Irgendwo im Hause wird sich eine „Ultimate Machine“ finden, die man per Knopfdruck bedient, worauf sie sich öffnet und selbst per Knopfdruck wieder ausschaltet. Eine geistreiche Persiflage aufs (löbliche) Konzept des Museums zum Angreifen, zum Selbst-Experimentieren.

Das ist das TMW natürlich weiterhin, und natürlich stehen weiterhin Bergwerk, Eisenbahn, Dampfmaschinen in den hohen Hallen. Aber es dürfte ein noch interessanterer, nachdenklicherer Ort werden: Was kann man Besseres über ein Jubiläum sagen?


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