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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
08. August 2008
16:56 MESZ

Bis 12. Oktober

 

Ouvertüre einer verspielten Ausstellung: Wolf Vostells "Fluxus Pianos" aus dem Jahr 1994.


Instrumentenmord und Virtuosenangst
Das Salzburger Museum der Moderne manövriert sich mit "Sound of Art" assoziationsreich durch zweieinhalb Jahrhunderte Geschichte von bildender Kunst und Musik

Salzburg - Zwei echte Teufelskerle an den Saiten nebeneinander, das wäre ein Bild gewesen: Der Geigenvirtuose Niccolò Paganini und der Heroe der E-Gitarre Jimi Hendrix. Aber leider, nein.

Die Ausstellung Sound of Art Museum der Moderne, die mit den Bezügen zwischen Musik und bildender Kunst nun die Trilogie der Grands-Spectacles-Reihe in der Festivalstadt vollendet, komponiert ihr Spektakel nicht mit knalligen, unkonventionellen Gegenüberstellungen, sondern über weite Strecken mit historischen und braven Erzählfolgen und nicht immer stimmigen Einsprengseln. Und davon gleich eine ganze Menge. Man verkneift sich besser, über die Zahl der Google-Einträge zu "BildendeKunst+Musik" und jene der mitunter böse lärmenden Ausstellungsstücke auf drei Etagen nachzudenken.

Hineingehüpft in den Parcours, der sich zwischen den italienischen Futuristen und Fluxus, zwischen Beethoven und John Cage, zwischen Zerstörung und Neuerfindung aufspannt, staunt man zunächst über das - als Augenzwinkern titulierte - billige Spiel mit dem Sound-of-Music-Klischee. Die Salzburger sind des Mythos weder leid noch müde, sondern errichten, das touristische Vorurteil bestätigend, im Barockmuseum im Mirabellgarten bald ein eigenes Haus Trapp'scher Memorabilien.

Wenn man Glück hat, ist - während Julie Christie noch über die grünen Auen trällert - schon ein anderer Besucher beherzt über die Startknöpfe von Günther Ückers Terrororchester gestolpert oder hat die aufheulende Fluxus-Symphonie Wolf Vostells für 50 Hoover-Staubsauger in Betrieb gesetzt.

Drei von Vostells mitleiderregenden Fluxus Pianos dienen als Ouvertüre auf ein in der verspielten Ausstellung eher überflüssiges museumspädagogisches Kinderzimmer. Auch Hendrix darf im Auto-Destruktiv-Trakt im sonnengelben Rüschenhemd sein wildes Ding raushängen lassen. Dass nicht er, sondern eigentlich Pete Townshend (The Who) die Gitarrenzertrümmerung, inspiriert von einem Vortrag Gustav Metzgers 1962, auf der Rockbühne etabliert hat, verrät nur der Katalog.

Vergeblich sucht man dort jedoch Informationen über Wanda Wulz. Ihr Foto Jazz Band weckt die Neugier auf die in den 1930er-Jahren wohl im Kreise der italienischen Futuristen umtriebige Künstlerin. Im Saal der Futuristen findet sich - wie überall - viel überflüssiges, weil nichtssagendes Dokumentationsmaterial in Vitrinen. Aber eben auch die herrlichen Geräuscherzeuger, die Heuler, Gurgler und Knisterer, die Luigi Russolo unter anderem zur Untermalung von Stummfilmen erfunden hat.

Wer sich ein wenig durch die im MP3-Format abrufbaren Kompositionen stöbert, findet wahre Kleinode, wie etwa Giacomo Ballas 1'16'' langes, mit einem genialen Beat unterlegtes Dicussione.

Vinyl und Trommelwirbel

Und die anderen vier Fünftel der Ausstellung? Durchbeißen gilt für den, der jede Spur verfolgen will, die die Kuratorinnen Brigitte Felderer und Eleanora Louis gelegt haben. Nicht verzagen gilt für den, der mehr über John Cages optisch reizvolle Collagen aus Glasplatten Not wanting to say anything about Marcel (Anm.: Duchamp) wissen will, aber nicht erfährt.

Weitergehen gilt für den, der nicht versteht, wieso hier das von Künstlern produzierte oder gestaltete Vinyl gezeigt wird. Von Peter Weibels Sex in der Stadt bis zu Jonathan Meeses und Tim Berresheims Wir sind die Musiker. Freuen können sich all diese über das Wiedersehen mit Charlotte Moorman - auch an Ballons schwebend vor dem Brucknerhaus in Linz 1982 - mit Peter Lands tragikomischen Cellisten, mit den selten musizierenden Wiener Aktionisten, mit Rodney Grahams Renaissancemusik-Truppe und natürlich - in der Abteilung Musikautomaten - mit Trommelwirbeln und Metronommusik von Rebecca Horn. Womit von der zwar höchst abwechslungsreichen, aber wenig übersichtlichen und daher auch nicht gerade mutigen Schau auf dem Mönchsberg zur Personale Love and Hate der deutschen Künstlerin im Rupertinum übergeleitet wäre.

Bleibt nur noch Paganini zu erwähnen. Dessen Figur illustriert in der Schau ebenso wie auch jene Ludwig van Beethovens, die Reaktion der bildenden Kunst auf die musikalischen Genies, die sich in verehrenden, aber mitunter auch karikierenden Zeichnungen zeigte. Darunter etwa jene des talentierten, aber ertaubten Musikers Johann Peter Lyser, der Paganinis Aufspielen als Hexentanz inszenierte und ihm die Haare zu Hörnern geformt zu Berge stehen ließ. Und Hans Georg Nicklaus fragt dazu sehr passend: "Könnte es sein, dass uns die Virtuosität Angst macht?" (Anne Katrin Feßler, DER STANDARD/Printausgabe, 09./10.08.2008)

 



 

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