Salzburger Nachrichten am 9. Juni 2005 - Bereich: kultur
Frauen an der Kunstfront Kuratorinnen der Biennale
in Venedig: Rosa Martinez und Maria de Corral
MARTIN BEHRvenedig (SN). Alle wollen in die Lagune. Das Plakat der
diesjährigen Biennale zeigt ein Touristenpärchen mit Venedig-Stadtplänen.
Allerdings: die beiden befinden sich in einer steinigen Wüstenlandschaft.
Noch wird auf dem Biennalegelände gehämmert und gebohrt. Am Wochenende
heißt es aber Vorhang auf für die 51. Ausgabe der ältesten und größten
Kunstschau der Welt. Erstmals in der 110-jährigen Geschichte sind zwei
Frauen für die künstlerische Leitung zuständig. Die beiden Spanierinnen Rosa Martinez und Maria de Corral, die nur
sechs Monate Vorbereitungszeit hatten, setzen in ihrer Auswahl auf
Reduktion, auf große Namen sowie einige Künstler, die nicht der westlichen
Kunstwelt angehören. Kunstparcours mit Jahrmarktsflair, harmlose Weltausstellung,
Tummelplatz der Beliebigkeiten: Mit ihren zehn Teilausstellungen sowie
rund 350 Kunstschaffenden war insbesondere die von Francesco Bonami
kuratierte Biennale 2003 ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Rosa Martinez
und Maria de Corral haben den Blick wieder eingeengt, wollen ein Statement
gegen ausufernde Kuratoren-Festspiele setzen. Unter dem Titel "Immer ein
Stück weiter" lädt Martinez 49 Kunstschaffende in das reizvolle
Arsenale-Gelände. Dieser Titel ist einer Geschichte des Comiczeichners
Hugo Pratt entnommen, der in seiner Figur des Corto Maltese einen
wagemutigen, stets Grenzen überschreitenden Weltreisenden sieht. Eine für
die Kuratorin stimmige Symbolik. Für Martinez bietet die Kunst nach wie
vor die Möglichkeit einer "faszinierenden Entdeckungsreise". "Kunst ist ein Kampf innerhalb einer symbolischen Wirklichkeit, darum
sind jene Künstler die bedeutendsten, die durch ihre Schöpfungen neue Wege
bahnen", erklärt die Kuratorin. Der italienische Pavillon wird von Maria
de Corral bespielt: 42 Kunstschaffende zeigen in 34 Räumen Werke und
Werkgruppen. Titel der Ausstellung, die "nicht historisierend" oder
"konzeptionell", sondern "sinnlich und kontroversiell" sein soll? "Die
Kunsterfahrung." Die Teilnehmerliste klingt wie ein Who's who der
zeitgenössischen bildenden Kunst, reicht von Jenny Holzer bis Bruce
Nauman, Antoni Tapies bis Thomas Ruff, von Dan Graham bis William
Kentridge. An internationalen Kunststars führt auch der Weg durch die
Länderpavillons in den Giardinis nicht vorbei. Dort wo für Österreich der
Kärntner Hans Schabus ins Rennen um Preise und Anerkennung geht, bietet
Großbritannien das Kultduo Gilbert & George auf, entsenden die USA den
kalifornischen Malerstar Ed Ruscha, Spanien hat sich für eine Ausstellung
von Antoni Muntadas entschieden, Dänemark vertraut auf den subtilen
Kunstclown Peter Land. Etwas "ausgelagert" ist die Schweizerin Pipilotti
Rist, sie hat eigens für die Kirche San Stae am Canal Grande neue
Videoarbeiten geschaffen. Nicht ganz so prominent sind jene beiden
Künstler, die diesmal den deutschen Pavillon gestalten: Thomas Scheibnitz
und Tino Sehgal. Die Sinnhaftigkeit nationaler Präsentationen ist seit
Jahren umstritten, dennoch ist das Interesse an einer Präsenz in Venedig
groß. 73 Länder versuchen sich in der Lagunenstadt von ihrer kreativen
Seite zu zeigen, erstmals dabei sind Afghanistan, Albanien, Marokko,
Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Weißrussland. Alle wollen nach
Venedig. |