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Kunstberichte

Poesie als Manipulation

Belvedere: Augarten contemporary zeigt Werke von Markus Schinwald
Illustration
- Markus Schinwalds Prothesen namens „Muffels“ aus 2007.  Foto: Markus Schinwald

Markus Schinwalds Prothesen namens „Muffels“ aus 2007. Foto: Markus Schinwald

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Gemeinsam mit dem Migrosmuseum in Zürich präsentiert das Belvedere eine Personale des österreichischen "Shooting Stars" Markus Schinwald. Er lotet seine Werke innerhalb eines weißen Balkensystems aus, das an Friedrich Kiesler, aber auch an die klassische Avantgarde des De Stijl in Holland erinnert.

Schinwald bezeichnet sein System auch als Prothese für den Ausstellungsraum. Mit diesen Requisiten haben die Menschen zu kämpfen, die er auf seine nächtlichen Bühnen holt – egal ob im Film "Ten in love" von 2006 oder überarbeiteten Ölbildporträts des 19. Jahrhunderts.

Ein Restaurator legt in seinem Auftrag mehrere Monokel oder Zwangskorsette über diese Unbekannten – der Schmuck wird zur zwanghaften Sichtbehinderung, die Bewegungen werden eingeschränkt. Gegenüber ein Vorhang mit der Zeichnung eines Orchestergrabens. Eine Zwischenwelt tut sich auf, kein einfaches Unterfangen für Betrachter, die Barrieren überwinden müssen und selbst zu Mitwirkenden mutieren.

Tanzende Tischbeine

Tanzende Tischbeine werden zu Skulpturen, kleine Rituale und Gesten zu Pathosformeln. Danach der dunkle Kinoraum, der auf der Leinwand die besondere Architektur des Architekten Günter Domenig für die Eggenberger Klosterschule zum mysteriösen Tempel belichtet.

Aus Sprachfetzen und Ton ist ebenso wenig eine Deutung zu erfahren wie durch die einstudierten Gebärden schmerzvoller Umarmungen – hier geht es nicht um den Inhalt oder um Sigmund Freud, sondern schon eher um dessen Schichtstrukturen des Unbewussten. Modische Rituale werden ausgependelt, Schuhe unterschwellig zu Zwangsinstrumenten.

Mit der überlebensgroßen Marionette eines schaukelnden Mannes im letzten Raum wird das Rätsel prolongiert: "Beppo" soll eigentlich dem verstorbenen englischen Schauspieler John Gielgud ähneln, doch der ausführende Bildhauer ist da gescheitert. Selbst die Bewegung der anatomisch ungenauen Puppe in Anzug und schwarzen Handschuhen ist linkisch und kippt aus der Balance.

Der rechte Arm verschwindet unter dem Anzug, Diabolik und Versehrtheit kurbeln die Assoziationen an. Am Ende lockt dann ein verbauter Korridor in die Gefangennahme der Wahrnehmung durch die Kunst.

Augarten contemporary:

Markus Schinwald

Bis 27. Jänner

Diabolisch schön.

Dienstag, 09. Oktober 2007


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