Erstmals taucht Jenny Holzer einen Innenraum in
eine Flut von Worten. Durch die gegenläufige Projektion in der
Ausstellungshalle des MAK zieht es den Eintretenden vorerst den Boden
unter den Füßen weg. Auf silbernen Sitzkissen sitzend, kann die anfangs
als Tiefensog wahrgenommene Arbeit langsam in einen sprechenden Denk raum
gewandelt werden.
In den Siebzigern und Achtzigern hatte die 1950 in Ohio geborene Holzer
mit ihren feministischen und der Aufklärung verpflichteten Statements auf
gesellschaftliche Missverhältnisse hingewiesen. Sie agierte politisch,
wies auf Krisenherde hin – auch mit Hilfe digitaler Laufbänder und
laufender Lichtprojektion. Bänke, Plakate, T-Shirts wurden in die
Installationen einbezogen. Eine radikale Serie der frühen Zeit bestand aus
fotografierten Bodysigns: Texte über Torturen an Frauen wurden in die Haut
geritzt. Sprache, die von allen Machthabern der Welt, aber auch von der
Werbung benützt wird, dient der Künstlerin als Kunstmittel.
Werke zum Verweilen
Da elektronische Laufbänder und Schriftblöcke aus Licht nichts
Künstlerisches vermitteln, steht die ethische über der ästhetischen
Wirkung. Nun hat sie für das Innere des MAK und die Fassaden einiger
Bauten in Wien Schriften der Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek gewählt.
Davor hat Jenny Holzer unter anderem Gedichte der polnischen
Nobelpreisträgerin Wislawa Szymborska, von Adam Zagajewski und vom
israelischen Autor Yehuda Amichai verwendet.
Die Klarheit der Botschaft, die für Passanten sofort begreifbar war,
hat ab 1993 zugunsten der ästhetischen Komponente zusehends abgenommen.
Erst im Verweilen erschließen sich Textfragmente, das gilt auch für jene
von Wissenschaftlerinnen wie Mohja Kahf oder Dana Goodyear. Aus dem Werk
Elfriede Jelineks hat sie "Die Liebhaberinnen" (1975) und "Die
Ausgesperrten" (1980) gewählt und sich damit für die Themen falsche
Glücksvorstellung und Spielarten kleinbürgerlichen Verhaltens entschieden.
Eine weitere Projektion in der Ausstellungshalle fasst drei Projekte im
öffentlichen Raum zusammen, zwei davon in New York, eines in Wien, wobei
Rathaus, Staatsoper, Parlament, Nationalbibliothek und
Präsidentschaftskanzlei mit gesampelten Worten "belichtet" wurden. Bis 24.
Mai wird jeweils ab 20.30 Uhr auch eine Projektion am neuen Tower des
Wiener Flughafens gezeigt.
Interessant ist die stille Wirkung – oder gibt es eine Gewöhnung an die
Xenon-Lampen-Projektionen, die seit 1990 auch in Städten wie Venedig zum
Einsatz kamen? Das Duett Holzer-Jelinek ist jedenfalls kein Schock,
sondern eine Verführung im musealen Raum.
MAK Ausstellungshalle
bis 17. September
Verführerisch.
Mittwoch, 17. Mai
2006