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Meldung vom 25.02.2004 14:28 Uhr

Aktionskünstler Otto Mühl: «Österreicher zu sein ist Beleidigung»

Hamburg (dpa) - Der Aktionskünstler Otto Mühl ist angeekelt von seinem Heimatland Österreich: «Ich krieg geradezu einen Ekel. Österreicher zu sein ist eine Beleidigung», sagte der 79-jährige kurz vor der Eröffnung einer großen Retrospektive seines Werkes in Wien der Hamburger Wochenzeitung «Die Zeit».

Der umstrittene Maler und Gründer einer Kommune erlebt in Österreich «nur noch alpine Verkrüppelung: Haider, das Volkstanzen, die weißen Stutzen, die Lederhosen, das Jodeln, das wird immer nur noch schlimmer. Und der Schüssel! Das ist widerlich».

Mühl, der seit Jahren in Portugal lebt, findet, «in Wien gibt's doch gar keine interessanten Leute mehr. Sind doch alle emigriert. Freud wollte auch kein Österreicher sein. Ich komme mir vor wie ein Jude. Geistiger Jude. Die Österreicher sind alle Idioten. Ein Drittel Nazi. Die Ewiggestrigen. Wirklich ein komisches Land.»

Der 1925 im Burgenland geborene Künstler war in den 60er Jahren eine der zentralen Figuren des Wiener Aktionismus. Der Absolvent der Kunstakademie Wien verband seine künstlerische Arbeit mit gesellschaftlichen Utopien und gründete 1972 eine Kommune, in der freie Sexualität gelebt wurde. Anklagen von ehemaligen Mit- Kommunarden brachten ihm 1991 eine Verurteilung wegen Drogenmissbrauchs, Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen ein. Er verbüßte eine siebenjährige Haftstrafe.

«Ich wollte die ideale Gesellschaft, und das ist am Anfang zum Teil sehr gut gelungen», resümierte der Künstler im Interview. Die Vorwürfe gegen ihn sieht er nach wie vor als Rufmord. Das gesellschaftliche Modell der Kleinfamilie hält Mühl für «Erpressung». Auch die gängigen Erziehungsmodelle kritisiert er nach wie vor: «Jeder Mensch ist ein Ferrari. Aber die Erziehung macht aus ihm ein Gogomobil. Jeder Mensch wird als Genie geboren und stirbt als Vollidiot».

Dass Proteste gegen die Ausstellung «Otto Mühl. Leben/Kunst/Werk. Aktion Utopie Malerei 1960-2004» im Wiener Museum für Angewandte Kunst angekündigt sind, die am Dienstag (2. März) eröffnet wird, sieht der Künstler gelassen: «Dass mir einer das Küchenmesser reinrammt, hätte ich nicht so gerne. Aber mit der Kunst können sie machen, was sie wollen. Ist ja versichert».


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