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21.01.2004 - Kultur&Medien / Ausstellung
Ausstellung Sammlung Essl: Als Pinsel noch zuschlagen mussten
Wie zahm sind die "Neuen Wilden" der 80er Jahre geworden? Die Sammlung Essl zeigt die Entwicklung dieser österreichischen Maler-Generation bis heute.

S
chnell musste es gehen. Die Zeit ras te, Trends sind flüchtige Gespinste, und Jugend ist sowieso rasch ver braucht: Verschwende deine Jugend!, rief das deutsche Neue-Welle-Duo DAF. Die Maler, die das hörten und leben wollten, waren alle so um die 30, Ende 20, und die Sammler rissen ihnen die wüsten bunten Bilder noch feucht aus den Ateliers. Peter Pakesch betrieb eine Galerie in Wien, am Abend ging man ins U4 und spielte nebenbei in abgehobenen Künstler-Bands mit Namen wie "Keli Himbeer", "Multo Brutto", "Wirrh" und "Dumpf". Hauptsache jetzt: "Keine Atempause, Geschichte wird gemacht", sangen die "Fehlfarben".

Heute klingt diese ganze Szenerie ziemlich retro, der Mythos der "Neuen Wilden" strömt aus leicht gelblichen Katalogen, so wie Punk heute von zerkratztem Vinyl scheppert. Die einst so heftig aufbegehrende "Neue Malerei" ist Teil der Kunstgeschichte und ihrer Bibliotheken geworden.

Nicht nur der österreichischen, auch der deutschen und italienischen: In Berlin tobten damals Salomé und Rainer Fetting, in Köln die "Mühlheimer Freiheit", in Hamburg Albert Oehlen, und irgendwie gehörte auch Martin Kippenberger dazu.

Während sich die "Väter" wie Baselitz und Lüpertz mit neureichen Attributen als Malerfürsten stilisierten, durften die "Söhne" den Kunstmarkt noch einmal so richtig aufmischen. Dieser konstatierte "Hunger nach Bildern" und befriedigte diesen gewinnbringend. Das Publikum bekam, was es sah: Wülste aus Farben, grobe Figuren, aufgeriebene Seelen, Pinsel strichen nicht, sie schlugen - rohe Malerei eben, die eben so herrlich einfach war.

Nach den 70er Jahren, als Konzept und Politik die Kunst vom Bauch in den Kopf geschickt hatten, hatten die expressiven Farbschlachten und Bilderfluten einer "Neuen Malerei" ein Freispiel beim Publikum. Auch beim Sammler-Paar Essl, das von Beginn an Arbeiten dieser Generation kaufte. Namen wie Siegfried Anzinger und Hubert Schmalix werden mit ihrer Sammlung assoziiert, bilden einen Kernbestand. Noch bevor das neue Museum in Klosterneuburg zur Verfügung stand, stellten die Essls 1991 im Wiener Kunstforum ihre "Wilden" in der Ausstellung "Das Jahrzehnt der Malerei" vor.

Heute, über zehn Jahre später, entschied man sich in Klosterneuburg, in Kooperation mit der "Presse", für einen anderen Weg der Präsentation, weniger historisch, weniger nostalgisch. Das ist einerseits angenehm und pädagogisch, weil versucht wird, eine Bewegung bis in die Gegenwart zu verfolgen. Andererseits ist der Titel "Neue Wilde. Eine Entwicklung" leicht irreführend: Denn von "neuer wilder" Malerei, deren Kernzeit nur wenige Jahre Anfang der 80er dauerte, ist verhältnismäßig wenig zu sehen.

Angeregt von Florian Steininger, ausgewählt von der hauseigenen Kuratorin Gabriele Bösch, beginnt die Schau mit einem Überblick im ersten Raum. Dicht an dicht musste hier je ein exemplarisches Bild von allen elf Vorzeige-Wilden untergebracht werden. Nur ein komprimierter Raum also für die 80er Jahre. Man wünscht den kleinen wie großen Formaten mehr Luft zum Atmen, aber der Geist dieser Zeit drängt sich so natürlich unverfroren auf: Verdichtung!

Hier erkennt man schon die Untergruppen und Schattierungen innerhalb der "Neuen Wilden". Die gegenständliche, figurative Schiene der so genannten ersten Generation mit Anzinger, Schmalix, Alois Mosbacher, Josef Kern, Erwin Bohatsch. Dann die zweite Generation: 1986 machten einige junge Maler im Wiener Zwanz'gerhaus auf sich aufmerksam. Die legendäre Ausstellung "Hacken im Eis" war der öffentliche Durchbruch einer "Neuen malerischen Abstraktion" in Österreich: In großen Formaten legten Herbert Brandl, Gunter Damisch, Josef Danner, Hubert Scheibl und Otto Zitko dicke Farbschichten aufeinander, ließen Landschaften aus Farbe und Struktur erscheinen. Zu dieser Richtung zählen auch Erwin Bohatsch und Walter Vopava.

Nach dem ersten historischen Sammel-Raum und einer Auswahl von Vorreitern - voran Kurt Kocherscheidt und Maria Lassnig - wird jeder der elf Künstler in Mini-Retrospektiven vorgestellt. Sehr klar, dadurch ein wenig spannungslos. Vor allem die Entwicklung der figurativen Maler ist erstaunlich. Anzinger zeigt die größte Entfernung von seinem eruptiven Frühwerk - seine Kunst ist stetig gereift, spielt sich heute in quirlig-luftigen Höhen ab und nicht mehr in psychischen Untiefen. In schwelgerischer Erinnerung bleiben Brandls monumentale Berge, Scheibls riesig rot glühender Farbrausch "R", der amüsierte Blick in fragende Hundeaugen, gelenkt von Alois Mosbacher.

Doch alles, was man hier erkennt - es will und wollte immer nur Malerei sein. Das meiste ist sehr gute. Ob wild oder gezähmt, aus den 80er Jahren oder aus 2003. Egal: Mythen kleben, bis ins Alter.

Bis 21. 3. Di.-So. 10-19 h, Mi. 10 - 21 h.

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