05.03.2002 22:44:00 MEZ
Malerei ohne Maler
Gottfried Feldner und Josef Schwaiger im Salzburger Kunstverein

Salzburg - "Diese diskrete Lehre lehrt mich das Leben spät: Die kristalline Ode erschafft sich ohne Poet", dichtete Carlos Drummond de Andrade. Nicht erst seit Reality-TV wissen wir: Realität pur, das reine Leben und sonst nichts - so muss das ultimative Kunstwerk sein. Ohne Handschrift, ohne Autor.

Die Idee eines Bildes, das die Natur ohne Malerhand selbst von sich herstellt, ist dabei so alt wie das Turiner Grabtuch, so naiv wie Talbots Fotoband "The Pencil of Nature" und so überzogen wie Roland Barthes' "Tod des Autors". Aber bis heute hat diese Vorstellung nichts an Faszination eingebüßt.

Josef Schwaiger, der hierzulande wohl konzeptionellste Maler, ist den sich selbst malenden Bildern schon seit über einem Jahrzehnt auf der Spur. Und das ist nicht zuletzt eine naturwissenschaftliche Frage. Schwaigers Kenntnisse in Farbenchemie und -physik haben mittlerweile Universitätsniveau. In den diversen Chemielabors hat er seine Vertrauensleute sitzen, mit deren Hilfe er jene Malmittel mixt, mit denen er nun Bilder "malt", wie andere Leute Fotos schießen: Just press the button, we do the rest.

Silikonlösung

Im Salzburger Kunstverein kann man jetzt das vorläufige Endresultat der Schwaigerschen Forschung begutachten. Auf Dutzenden von Aluplatten ist wie auf Filmkadern zu verfolgen, was Farben tun, wenn sie sich selbst überlassen sind. Sechs in einer eigens entwickelten Silikonlösung aufgelöste Grundfarben wurden separiert in eine Wanne geschüttet. Der allmähliche Vermischungs-, Unterwanderungs- und schließlich gegenseitige Auslöschungsprozess wurde über acht Wochen hindurch täglich auf einer Platte durch Eintauchen festgehalten.

Zunächst sieht es aus wie ein Gerhard Richter, dann wie venezianisches Marmorierpapier und am Schluss wie ein Gotthard Graubner. Nur: Bei dieser Selbstorganisation der Materie, wie sie Josef Schwaiger in geradezu unheimlicher Perfektion vorführt, bleibt einem wirklich der Mund offen.

In ein Tandem mit Schwaigers Versuchsanordnung sind Gouachen und Aquarelle von Gottfried Feldner gespannt. Das sieht auf den ersten Blick recht harmonisch und schlüssig aus - beide Male Malerei, beide Male gegenstandslos -, aber schlau wird man aus dem Duo nicht.

Feldner kommt aus der konkreten Malerei, die er in guter postmoderner Tradition ans Reale anstreifen lässt. Die Quadrate könnten auch Fenster sein, die Kreise auch Abdrucke von Rotweingläsern. Es ist aber nur ein sehr leises Anstreifen, kein aufklärerisches Politisieren oder augenzwinkerndes Ironisieren, wie das in den Achtzigerjahren Peter Halleys oder Gerwald Rockenschaubs Geo-Bilder getan haben.

Aus Feldners gut wienerischem Changieren zwischen Alltag und Abstraktion entstehen eher leichtfüßige Haikus, Zen-Bilderrätsel mit danubischem Zungenschlag. Als Partner hätte Feldner hätte eher einen konkreten Poeten, Schwaiger einen fraktalen Geometriker gebraucht.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 3. 2002)


Quelle: © derStandard.at