Das "Neue Museum" wurde in Berlin nach 70 Jahren wiedereröffnet
200 Millionen machten aus der Ruine ein Juwel
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Über die 30 Meter hohe Treppenhalle kommt man zur Büste der Nofretete. Foto: epa
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Von WZ-Korrespondent Markus Kauffmann
200 Spezialisten renovierten Gebäude.
Lücke auf der Insel wieder geschlossen.
Freier Eintritt am Wochenende.
Berlin.
Ein Gebäude verhalf gleich zwei Architekten zu Weltruhm: Das "Neue
Museum" auf der Berliner Museumsinsel. Am Freitag wurde es nach 70
Jahren seiner ursprünglichen Aufgabe gemäß der Öffentlichkeit
übergeben. Für die Öffentlichkeit ist das Ausstellungshaus mit der
weltberühmten Nofretete-Büste ab Samstag zugänglich.
Der eine Architekt war Friedrich August Stüler, der sein Hauptwerk
im Jahr 1855 vollendete und damit nicht nur Museums-, sondern auch
Technikgeschichte schrieb. So verwendete er erstmalig im Museumsbau
Eisenkonstruktionen und Tontöpfe als Trägermaterial für Gewölbe und
Decken. So konnte ein Gutteil der Decken in Leichtbauweise gestaltet
werden.
Der zweite Architekt ist der aus London stammende David
Chipperfield, der sein Handwerk bei den Stars der britischen
Architektur, Norman Foster und Richard Rogers, gelernt hat. Er hat mit
Einfühlungsvermögen und sicherem Sinn für Licht, Raum und Masse der
Ruine des Baues neues Leben eingehaucht und dabei Maßstäbe der
Restaurierungskunst gesetzt. "Ergänzende Wiederherstellung und
konservierende Restaurierung", nennt Chipperfield seine Maximen.
Zusammen mit Chefrestaurator Julian Harrep haben rund 200
Spezialisten an der Erhaltung des noch Vorhandenen in liebevoller
Kleinarbeit gewirkt. Was völlig fehlte, wurde zumeist in Stülers Geist,
jedoch in der Formensprache unserer Zeit ergänzt. Und was der
Rekonstruktion würdig war, wiederhergestellt.
Abriss abgewendet
Nach den Bombeneinschlägen des Jahres 1943 lagen die Reste des
Gebäudes jahrzehntelang brach, ungeschützt vor Wind, Wetter und
Zerfall. Ganze Flügel waren verschwunden und hinterließen peinliche
Lücken auf der sonst so geschlossenen "Akropolis von Berlin", der
Museumsinsel. Zwischendurch hatte die SED sogar erwogen, das Gebäude
abzureißen. Das wurde aber verhindert, die Lücken geschlossen, der
Phönix von der Asche befreit. 200 Millionen Euro machten aus der Ruine
ein Juwel. Damit ist das letzte Museum auf der Insel fertiggestellt.
Das Weltkulturerbe ist komplett.
Und "die Schöne ist gekommen" (so die Übersetzung von "Nofretete") –
die Gattin des Echnaton – ist schließlich nach langer Odyssee an ihren
angestammten Platz zurückgekehrt. Und mit ihr rund 9000 Kulturzeugnisse
aus 700.000 Jahren Menschheitsgeschichte. Abgesehen von einer Büste des
Stifters James Simon ist sie das einzige Objekt im Nordkuppelsaal und
wird in einer vier Meter hohen Vitrine präsentiert.
Im dem neuen "Neuen Museum" sind das Museum für Vor- und
Frühgeschichte (z.B. Schädel des Neandertalers von Moustier), Teile der
Antikensammlung (Schliemanns Troja-Sammlung) und das ägyptische Museum
(Amarna-Kunst, "Grüner Kopf") untergebracht. In dem riesigen
rechteckigen Baukörper von 105 mal 40 Metern Fläche verbergen sich
hinter einer unscheinbar schlichten Fassade in vielfältigen
Inszenierungen gestaltete Architekturkulissen in ägyptischem,
griechischem oder römischem Stil. Wuchtige, fünfzehn Meter hohe Säulen
schmücken beispielsweise den ägyptischen Hof. Höchster Gebäudeteil ist
der 31 Meter hohe Mittelbau mit Treppenhaus. Hier hat Chipperfield auf
eine "Redekorierung" verzichtet und nur die Kubatur des alten
Treppenhauses übernommen. Ein Reduktionismus, der den Respekt vor dem
architektonischen Erbe noch unterstreicht.
Sakraler Raumeindruck
Durch die schmucklosen, geraden und perspektivischen Formen entsteht
ein beinahe sakraler Raumeindruck. Seine wahre Pracht zeigt das Museum
also erst im Inneren: In seiner reichen Raumgestaltung, seinen
Eisenkonstruktionen und seinen behutsamen Ergänzungen. Vor allem aber
in den Exponaten.
Printausgabe vom Samstag, 17. Oktober 2009
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