Was die alten Chachapoya (von "sacha", Baum, und
"puyuque", Wolke), also die Wolkenmenschen aus dem Nebelwald, mit einem
Computer-Tomographen oder dem Beschleuniger-Massenspektrometer VERA zu
schaffen haben? Das können ja kaum kultische Grabbeigaben sein . . .
Die modernen Apparate werden vielmehr den zwölf Menschenmumien aus
Peru, die derzeit im Technischen Museum mit ihrer "anmutigen
Grauslichkeit" beeindrucken, ihre intimsten Geständnisse entlocken. Zum
Beispiel über ihre Kaugewohnheiten (Coca, wovon sich eventuell Spuren in
den Haaren finden werden). Oder über ihre Krankheitserreger in der Lunge.
(Da ist es günstig, dass die Chachapoya-Inka weniger gründlich "räumten"
als die alten Ägypter und aus ihren Toten lediglich die
Unterleibsinnereien herausgeholt haben - durch den Anus.)
Während der interdisziplinären Ausstellung "Das Geheimnis der
Wolkenmenschen-Inka" werden Mediziner, Physiker, Chemiker und
Anthropologen übrigens laufend über ihre Untersuchungsergebnisse
berichten. Auf http://www.technischesmuseum.at/.
Hartnäckiger Dunst
Eigentlich verdanken wir ja alles, was wir in Wien von den Chachapoya
sehen können (von Keramik bis hin zu Sandalen, die zu 100 Prozent
biologisch abbaubar sind) einem peruanischen Bauern. Hätte der nicht 1996
aus den Nebelwäldern Nordperus Weideland herausgeschlägert und damit das
Mikroklima verändert und da und dort den hartnäckigen Permanentdunst
verscheucht, wäre die Nekropole in den Berghängen heute noch
vergessen. So aber konnte im nächstgelegenen Dorf Leymebamba ein Museum
errichtet werden (unter anderem mit Geldern aus Österreich) für die
Artefakte jenes Volkes, das von den Inka blutig unterworfen wurde und kurz
darauf vor den Spaniern (und auch vor deren Viren, den mikroskopisch
kleinen Konquistadoren) kapitulieren musste und dessen Kultur noch im 16.
Jahrhundert ausstarb.
Zu den Gepflogenheiten der Chachapoya gehörten auch Khipus, opulente
Werke aus Schnüren voller Knoten. Möglicherweise ihre Buchhaltung. Dagegen
ist unser Knoten im Taschentuch ein dürftiges Speichermedium. (Man
bekäme jetzt fast Lust, die nächste Steuererklärung aufwändig zu knoten
und das Finanzamt damit zu überfordern.)
Die würdevoll makabren Mumien mit ihrer grotesken Mimik und exaltierten
Gestik (oder noch in ihre diskreten Beisetzungsbündel gehüllt, als hätte
sie ein indigener Christo respektvoll verpackt) stehlen freilich allem die
Schau. Werden aber nicht wie in einer Freakshow bloßgestellt, sondern bei
gedämpftem Licht ästhetisch platziert.
Im naturwissenschaftlichen Teil, wo die Maschinen mit den
abschreckenden Namen den tumben Technik-Toren, der gerade noch mit einem
Mikrowellenherd zurande kommt, faszinieren und zugleich in die Flucht
schlagen und die Methoden vorführen, mit denen die Mumien "geknackt"
werden, da hat womöglich das unscheinbarste Kleinod das größte Charisma:
Ötzis Innenohr. Als Modell. Mittels Stereolithographie erzeugt. So winzig
wie ein modernes Hörgerät.
Wolkenmenschen-Inka
Technisches Museum
Bis 30. Juli
http://www.technischesmuseum.at/
Macht neugierig.
Samstag, 13. Mai
2006