Protest, parallelverschoben | |
Santiago Sierra importierte den Protest der argentinischen Bevölkerung nach Österreich. |
Im Vorfeld seiner Ausstellung in der
Kunsthalle Wien fordere Santiago Sierra bereits Anfang September dazu auf,
mit den Aufnahmen von Demonstrationen in Argentinien im März dieses Jahres
den öffentlichen Raum zu beschallen. Dafür verteilte die Kunsthalle
kostenlos 1.000 CDs und Radio Orange sendete auf 94.0 Mhz die
Geräusche. Roter Faden Sierras "Displacement of a Cacerolada" - Verlagerung einer
Topfdemonstration - stellt eine Akzentveränderung zu seinen
vorangegangenen Aktionen dar: Zuvor hatte Sierra zumeist vor Ort Akteure -
illegale Einwanderer, heroinabhängige Prostituierte, Obdachlose - dafür
bezahlt, sich für sinnlos erscheinende Tätig- und Untätigkeiten zur
Verfügung zu stellen. Diese Aktionen wurden fotographisch und filmisch
dokumentiert. Gratis oder umsonst? Zwar ging es auch bei dem "Displacement" um Geld, doch fehlte es gleich
in doppelter Hinsicht: Das private oder veröffentlichte Abspielen der CD,
des Streams oder der Radiosendung blieb ebenso unbezahlt wie der
lautstarke Protest in Argentinien, der seinerseits eben ausgelöst wurde
durch fehlendes Geld: Nachdem die Regierung auf Druck internationaler
Finanzorganisationen wie des IMF den Peso abgewertet und die Sparkonten
der Bürger gesperrt hatte, eskalierte die Verarmung ebenso wie die
Proteste gegen diese Politik. Verkehrte Globalisierung Sierras Intention ist es zwar, den Lärm dieses Protestes in die
ökonomisch dominierenden Staaten des Westens und damit dorthin zu
exportieren, wo die Krise der argentinischen Wirtschaft ihre eigentlichen
Ursachen hat. Das 'Displacement' allein als aufklärerische Geste zu
verstehen, griffe jedoch zu kurz - nicht umsonst weigert sich Sierra
stets, Handlungsvorschläge über die konkrete Aktion hinaus zu machen. So
blieb es den Beteiligten überlassen, ob sie ihr Engagement als Geste
hilflosen Protests, als Stellvertretung der argentinischen Demonstranten
oder als akustische Verunreinigung des auch hierorts immer genauer
kontrollierten öffentlichen Raumes verstehen wollten. Link: Kunsthalle Wien | ||