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Ars Electronica 2003: Elfen-Suche und Deja-vu im Cyberspace

"CyberArts"-Ausstellung im O. K. Centrum für Gegenwartskunst versammelt Preisträger der "Goldenen Nicas" - Eröffnung der Ars Electronica heute Abend.

Linz (APA) - Den oberösterreichischen Untergrund nach dort lebenden Elfen absuchen, in einem kriegerischen Ego-Shooter-Computerspiel mit jedem Schuss eine Friedens-Email abschicken oder in Echtzeit die Videobilder eines Kinofilms verändern: Mit abwechslungsreichen Projekten lockt die diesjährige CyberArts-Ausstellung im Linzer O. K. Centrum für Gegenwartskunst, deren Präsentation heute, Samstag, den Eröffnungsreigen der diesjährigen Ars Electronica (6. bis 11 September) startete. Das Linzer Computerkunstfestival beschäftigt sich in Symposien, Ausstellungen und Performances mit dem Thema "Code - The Language Of Our Time".

Die CyberArts-Schau vereinigt in einer internationalen Leistungsschau die aus 2.714 Einreichungen aus 85 Ländern ausgewählten Sieger-Projekte des diesjährigen Prix Ars Electronica, der in einer Gala am 8. 9. überreicht wird. Es werden sechs goldene Nicas, zwölf Auszeichnungen und 61 Anerkennungen sowie Geldpreise in der Höhe von 109.000 Euro vergeben. Der Ausstellung gelinge es, "eine der flüchtigsten Künste", nämlich die digitale, festzuhalten, so ORF-Landesdirektor Helmut Obermayr bei der Eröffnung.

Die goldene Nica in der Kategorie Interaktive Kunst geht an die real-virtuelle Verfolgungsjagd "Can You See Me Now" der britischen Gruppe Blast Theory: Online-Spieler bewegen sich in einer virtuell repräsentierten Stadt, mit GPS-Systemen ausgerüstete reale Verfolger versuchen, sie im Niemandsland zwischen Realität und Cyberspace zu fangen, indem sie sich in der jeweiligen Stadt bis auf fünf Meter der Position des Cyber-Kontrahenten nähern. Gezeigt wird ein Video der 2001 in Sheffield gespielten Jagd, Besucher im O. K. Centrum können auf einer Projektion in die Abläufe der 2003 in Oldenburg erfolgten Version eingreifen.

Die Nica für Net Vision geht an http://www.noderunner.com, für Net Excellence an http://www.habbohotel.com. Die Webseiten kann man im obersten Stock des Centrums ansurfen. Im Jugendbewerb "U19" geht die Nica an Georg Sochureks "Rubberduck". Weitere Nicas gehen an den Animationsfilm "Tim Tom" und die Musiker Ami Yoshida, Sachiko M und Utah Kawaski.

Eine poetische Auseinandersetzung mit dem Thema Interface bietet der "Elf-Scan" der deutschen Künstlerin Anges Meyer-Brandis, die einen Anerkennungspreis verbuchen kann: Aufgestellte Bohrkerne u. a. aus Oberösterreich können mit einem fingergroßen Abtastgerät auf Spuren dort lebender Elfen untersucht werden.

Mit gespeicherten Welten setzen sich auch zwei andere Projekte auseinander: Bei "Pockets Full of Memories" des US-Amerikaners George Legrady werden die Besucher angehalten, ein persönliches Objekt ihres Tascheninhaltes einzuscannen und mit Erläuterungen zu versehen; bei "Deep Walls" (Scott Snibbe, USA) wird die Silhouette des vorübergehenden Computerkunst-Interessierten als "Erinnerung an den Raum" unbemerkt aufgenommen und auf einer Projekten zusammen mit anderen Schatten in Endlosschleife abgespielt.

Nur dem Klang nach können bei "Streetscape" von Iori Nakai (Japan) verschiedene Städte erkundet werden, eine Uhr, die gleichzeitig ihre eigene Geschichte bildlich aufzeichnet, bietet das Projekt "Last" von Ross Cooper und Jussi Ängeslevä (UK/Finnland). Wer einem berühmten Filmstar die Nase lang ziehen will oder das Bedürfnis verspürt, eine schöne Film-Liebesszene auszudehnen, der kann selbiges in Echtzeit bei "Cinema Fabrique" von Justin Manor (USA) unternehmen.

Neben viel fasziniertem Staunen schleicht sich jedoch auch bei den diesjährigen Preisträger-Projekten des Computerkunstfestivals, das am Abend im Brucknerhaus und mit der visualisierten Klangwolke eröffnet wird, zuweilen ein Gefühl des Deja-vu im Cyberspace ein. So, wenn Haruo Ishiis "Hyperscratch ver. 12" wie schon allzu viele Projekte zuvor die Möglichkeit bietet, durch Handbewegungen Klang und Licht eines Raumes zu verändern. Aber zwei, drei Friedens-Emails bei "nybble-engine-toolZ" der Österreicher Margarete Jahrmann und Max Moswitzer per Feuerknopf zu verschicken oder schnell mal eine "Instant City" zu bauen und dabei gleichzeitig Musik zu komponieren, bringt die Freude an der Computerkunst rapide zurück.
2003-09-06 13:36:28