Salzburger Nachrichten am 12. März 2003 - Bereich: kultur
GALERIENBLICK

GALERIENBLICK

Kunstraum Innsbruck

"Auch wenn der Fahrer ein anderer ist, der Lastwagen bleibt der Gleiche." . . . Allerdings weiß man nie genau, wohin er fahren wird. - Der kryptische Titel der Ausstellung (Kurator Nicolaus Schafhausen hat die Schau vom Frankfurter Kunstverein nach Innsbruck transferiert) ist so vielfältig deutbar und knifflig irritierend wie die fünf Großvideos und weiteren Videoinstallationen Marcel Odenbachs. Der Medienkünstler und Professor an der Kunsthochschule in Köln ist längst international mit Einzelausstellungen in Museen, Kunstvereinen und Galerien präsent.

Die Hauptattraktion

der Installationen bilden die subjektivbrisanten, verbildlichten Gedankenstränge des Künstlers um Geschichte und Zeitgeschichte. Dokumentarisches Material unterschiedlichster Herkunft - selbstgebastelt oder geklaut, illustrativ, harmlospoetisch oder scharf, erschütternd nah an der Zeit oder ihr seltsam ferngerückt - wird vom Künstler zu einem komplexen politischen Bildgewebe voll feinfühliger persönlicher Züge verwoben. Und man erkennt: Der Fahrer kann kein anderer als Marcel Odenbach sein. Bald glaubt man zu wissen, wohin sein Lastwagen fährt.

"Wenn die Wand an den Tisch rückt", dann robbt sich Odenbach an die DDR-Wachsoldaten heran, unterlegt die Aufnahmen mit Sequenzen aus der Zeit der Wende 1989, fährt mit der Kamera über die starren Gesichter, verfolgt in Zeitlupe hoffnungsvoll jede kleinste mimische Ver-änderung und lässt die "Befehlsempfänger" schließlich erneut in ihre Anonymität zurückgleiten. Er überlappt eigene und fremde Sehweisen, alte, neue, langsame und eilige Szenarien, taucht unterschiedlichste Bild-Perspektiven in heranflutende Erinnerungstiefen und durchzieht alles mit suggestiven Soundtracks. Nüchterne Besuchsdokumentationen des deutschen Konsuls in Togo, 1918, verschränken sich mit quirligen afrikanischen Menschen- und Farbwirbeln von heute. Odenbach behauptet weiters: "Mir hat es den Kopf verdreht" und lässt seine Bilder atemberaubende Kreise tanzen, so dass selbst die "Innere Sicherheit" statischer, auf Jalousien platzierter Kuschelbetten verloren gehen muss.

Das Fazit:

"Ach wie gut, dass niemand weiß", wo man nach dieser Odenbach-Fahrt tatsächlich landen wird. Doch keine Angst: Innovativ und spannend ist es allemal. (Bis 29. 3., Mo.-Mi., Fr. 11-18 Uhr, Do. 11-20, Sa. 11-17 Uhr) HELGA REICHART