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Die Service-Künstler

Allein ist man ein Narr, zu zweit eine Institution“: Das könnte ein Zitat von Karl Valentin sein oder von Rosa Luxemburg. So genau lässt sich das nie ausmachen, wenn Julius Deutschbauer und Gerhard Spring sprechen: Alles klingt irgendwie nach irgendwas, manchmal sogar nach Deutschbauer oder Spring.

Es überrascht nicht, dass sich nach einem Jahr praktizierter Doppelconférence im Kunstbetrieb etwas von dem routinierten verbalen Pingpong, das die beiden Künstler bei ihren Auftritten pflegen, auch im wirklichen Leben bemerkbar macht. Schließlich haben sie bereits an die 20 verschiedene Programme einstudiert oder vielmehr „sehr vorstudiert“ (Deutschbauer/Spring). Genug jedenfalls, um eine Institution zu werden.

Im Gespräch

Im Januar 2001 traten Gerhard Spring (39) und Julius Deutschbauer (40) erstmals gemeinsam auf: im Rahmen der Wiener Kunsthallen-Ausstellung „Lebt und arbeitet in Wien“. In zwei szenischen Lesungen gaben die beiden die Stücke „Wir sind eine Kontextgesellschaft“ (Alexander Pühringer und Franz Morak im Gespräch) und „Im Spannungsfeld zwischen de- und reorganisierter Kreativität“ (Carl Aigner und Franz Morak im Gespräch). Deutschbauer übernahm den Part von Kunststaatssekretär Morak, Spring immer den des Partners: Alexander Pühringer ist Chefredakteur einer Kunstzeitschrift, Carl Aigner Chef der Kunsthalle Krems. Mit feinen Anspielungen und Verfremdungen wurden Originaltexte subtil deformiert: Wenn Deutschbauer und Spring als Morak und Aigner sieben Ausstellungen mit exakt demselben Pressetext eröffnen, klingt der in der Wiederholung nicht geistreicher, bringt aber das verquere Verhältnis der Kulturpolitik zu den Kunstinstitutionen überdeutlich zum Ausdruck. Oft genügen schon die Originalzitate aus einem Interview, um den Nonsens bloßzulegen, in dessen Namen in Österreich oft (Kultur-)Politik betrieben wird. Aber Deutschbauer/Spring sind keine bösen Künstler, sie verhelfen den Protagonisten lediglich zur adäquaten Darstellung ihrer Rolle – indem sie sie ironisch überaffirmieren. Den beiden ersten Stücken folgte eine ganze Reihe weiterer solcher „Vorträge“, oft mit Wolfgang Schüssel und Franz Morak: Die beiden „eröffneten“ die Biennale Venedig, das Museumsquartier in Wien oder das World Trade Center. Damit ist vorerst einmal Schluss.

Julius Deutschbauer und Gerhard Spring sitzen in ihrem Probelokal, der Kantine des Wiener Akademietheaters, vor sich einige Biere – was daran erinnert, dass Julius Deutschbauer früher mal den „Kampf gegen die Brau Union“ mit einer Plakataktion geführt hat – sowie ein zerlesenes Exemplar von Hans Blumenbergs „Lesbarkeit der Welt“. „Von nun an treten wir als ‚Künstler‘ auf“, erklären die beiden, „die bisherigen Auftritte waren eine hervorragende rhetorische Schulung, aber jetzt probieren wir Kunstpraxen im Selbstversuch aus.“ Es geht also noch mehr ums eigene Umfeld: wenn „die Sprache der Behinderung“ in Anlehnung an einen österreichischen Künstler untersucht wird oder wenn in der Aufforderung, Urlaubsvideos in eine Ausstellung mitzubringen, interventionistische Kunstformen persifliert werden. Missverständnisse und Beleidigungen sind zwar intendiert, aber Kritik und Interesse an den jeweils vorgeführten Inhalten stehen in einem ausgewogenen Mischverhältnis. So auch die Reaktionen: „Es kommt eventuell vor, dass wir nicht mehr gegrüßt werden.“

Sicher ist, dass Deutschbauer/ Spring den alten gigantomanischen Künstlerhabitus längst abgelegt haben: „Wir sind Auftragskünstler, Hilfskünstler, Servicekünstler.“ Tatsächlich holen sie aus den Leuten, mit denen sie sich beschäftigen, das Beste – weil Typischste – heraus. Wenn Staatssekretär Franz Morak, vormaliger Schauspieler, in seinem Kommentar zu den früheren Performances korrekt anmerkte, diese seien „rein theatralische Vorgänge“, oder wenn die Biennale-Kommissärin und Theater-Intendantin Elisabeth Schweeger meinte, Deutschbauer/Spring hätten etwas mehr üben sollen, dann ist das eine angewandte Kritik der reinen Vernunft in ihrer ursprünglichsten Form.


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