Ausstellung: Verschollen im Museum. Der Künstler Karl Wiener
Karl Wiener und die Montage als politisches Ventil
|
Ein Selbstporträt Karl Wieners um 1940. Foto: Wien Museum
|
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer
![Aufzählung Aufzählung](00093351-Dateien/wzfeld.gif)
Karl Wiener (1901–1949) wird mit seinen 40 zumeist politischen
Collagen als Wiens John Heartfield oder männliches Pendant zu Hannah
Höch in die Kunstgeschichte eingehen. Er führte ein Doppelleben als
Lehrer an der Kunstgewerbeschule und Gebrauchsgrafiker, der im Atelier
zu Schere und Klebstoff griff und seinen Protest gegen die
Austrofaschisten und gegen Hitler in Montagen aus Zeitungen einfließen
ließ. Diese historische Dimension seiner Werke hätte das Wien Museum
allerdings schon kurz nach 1965, als die Nachlasskiste mit seinen Werken
durch Käthe Dostal ans Wien Museum kam, erkennen können.
Doch die Arbeiten wurden weder inventarisiert noch gesichtet, sondern
gingen 40 Jahre lang im Depot "verloren", und erst die Anfrage für die
Grazer Schau "Moderne in dunkler Zeit" gab 2001 durch einen Tipp des
bekannten Sammlers Wilfried Daim den Anstoß, das "museologische Koma"
aufzuheben. Eine Schiene der Schau "Verschollen im Museum. Der Künstler
Karl Wiener" beschäftigt sich daher kritisch mit der Gegenüberstellung
aller Fakten wie Briefe, Dokumente oder Fotos, die über die Vitrinen mit
den Werken geordnet sind.
Städte und Totenköpfe
Die Kuratorinnen Lisa Wögenstein und Marion Krammer geben Wiener mit
einer Gruppe von interessanten Selbstbildnissen in vielen Techniken als
Auftakt die Gelegenheit, sich vorzustellen. Die oft nächtlichen oder
roten Himmel, Stadtansichten und ihn begleitenden Totenköpfe lassen auf
einen eher schwermütigen Charakter schließen. Jedoch ist es auch seine
schwierige Situation als Künstler und Sozialist in faschistischer Zeit,
welche die dunklen Inhalte begründet. Fassbar wird Wiener trotz aller
persönlichen Vermerke in und zu den Bildern nicht wirklich, aber sein
Suizid erklärt sich wohl durch viele Brüche in seinem Leben, die in
dieser Zweigleisigkeit gut fassbar werden.
Der geborene Grazer hatte in seiner Heimatstadt nach dem Studium bei
Berthold Löffler und später Rudolf Jettmar an beiden Wiener Akademien
Erfolge. Er bekam Preise und Stipendien, eine positive Presse, konnte
nach Schweden, Dänemark, Deutschland und Russland reisen und in Moskau
Grafiken verkaufen. Doch mit der Entscheidung, 1937 nach Wien zu gehen,
riss seine Erfolgssträhne ab. Obwohl er Anschluss an Linksintellektuelle
und Kollegen wie Otto Rudolf Schatz hatte und als ihr Mitglied auch
Aufträge der sozialistischen Partei bekam, fand er nie eine Galerie oder
private Sammler.
Scheitern am Leben
1938 trat er der Reichskunstkammer bei, um an der Jugendstrafanstalt
in Kaiserebersdorf und dann – wohl durch Löfflers Hilfe – an der
Kunstgewerbeschule unterrichten zu können. NSDAP-Mitglied wurde Wiener
nie.
1945 wurde sein Atelier ausgebombt, Werke gingen verloren, und obwohl
ihm Kulturstadtrat Viktor Matejka half und Wiener mit dem Heimkehrer
Schatz gemeinsam 1946 ausstellte, blieben Erfolge weiter aus. Depression
und Medikamentensucht führten wohl auch zur Kündigung seiner Stelle.
Zwei Jahre danach starb er durch Einatmen von Lachgas.
Das schwierige Leben Wieners fand allerdings seine Fortsetzung im nun
durch diese Personale erst aufgehobenen Museumskoma. Seine
künstlerische Leistung war offenbar 1965 noch schwer zu erkennen, das
Werk zu heterogen, vielleicht auch zu nahe an Schatz in den
sozialkritischen Grafiken, und die spannenden anarchistischen Collagen
empfand man offenbar in Details als obszön. Dazu bleibt ihre persönliche
Note bis heute rätselhaft offen. Jedenfalls eignete sich Wiener in den
Augen von vier Direktoren nicht für das Künstlerbild der Nachkriegszeit.
Das gibt zu denken.
Ausstellung
Verschollen im Museum. Der Künstler Karl Wiener
Kuratorinnen: Lisa Wögenstein, Marion Krammer
Wien Museum
Zu sehen bis 28. August
Printausgabe vom Dienstag, 10. Mai 2011
Online seit: Montag, 09. Mai 2011 17:41:00