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12.05.2006 - Kultur&Medien / Kommentare
Kunstlicht: Im Retro-Delirium: Kunst und Drogen
ALMUTH SPIEGLER

A
n Robbie Williams scheint der Geistesgeschichte ein bedeu tender Logiker verloren gegangen zu sein: "Wenn ich trinke, will ich schlafen, deshalb nehme ich Koks, um wach zu bleiben", ließ der Ex-Boygroup-Sänger im Jahr 2000 verlauten. Keine Spur von schneller Reue, zu der sich Rainhard Fendrich durch seine Ertappung sogleich hinreißen ließ. Seine womöglich noch lukrative Saulus/Paulus-Wandlung auf diversen Hochglanzseiten miterleben zu müssen, scheint wohl Teil unseres kollektiven Schicksals zu werden.

Dabei scheint der Zeitgeist gerade um Entzugskliniken einen weiten Bogen zu beschreiben: Die altgediente Affäre zwischen Kunst und Drogen ist zurzeit wieder heftig am Aufflammen. Personifiziert wird diese Wiederkehr des zuletzt in den 90er-Jahren propagierten "Heroin-Chics" durch die momentan wohl authentischste Underground-Figur, den Kate-Moss-Lover und Babyshambles-Sänger Pete Doherty (27). Unlängst ließ er sich sogar dabei fotografieren, wie er anscheinend einem bewusstlosen Fan eine Spritze an den Arm setzt.

Doch auch diese Exzesse wirken eigentlich nur wie eine abgeschmackte Retro-Welle, vor allem im Pop- und Rock-Bereich. Was Drogenmissbrauch nicht verharmlosen, sondern die so lustvoll skandalisierte Fendrich-Geschichte nur in einen realistischen Rahmen rücken soll.

Selbst in der bildenden Kunst würde der Gegenwert dessen, was sich Künstler zur Bewusstseinserweiterung über die Jahrhunderte so alles eingeworfen haben, wohl locker den Kauf nicht nur eines Ferraris, wie Fendrich das Ausmaß seine Sucht verbildlichte, sondern zumindest des gesamten Fiat-Konzerns ermöglichen - wie allein die "Psychedelic"-Ausstellung in der Kunsthalle bestätigt.

W
obei Hieronymus Bosch mit seinem Stechapfel-Rausch wohl noch am billigsten davonkam. Die Surrealisten ließen sich mit Hilfe von Halluzinogenen auf ihre Traum-Trips ein, im Deutschland der 30er spielten Opiate und Kokain eine wichtige Rolle - "Brücke"-Maler Ernst Ludwig Kirchner war schwer drogensüchtig. Streng dosiert dagegen experimentierte Arnulf Rainer Mitte der 60er mit einer Mischung aus Meskalin und Psilocybin, um sich vorübergehend in den Zustand des Schizophrenen zu versetzen.

Interessant ist wieder einmal eins: Künstlerinnen kommen in diesem experimentellen Drogen-Zusammenhang praktisch nicht vor. Was zum Rückschluss verleitet, dass ihr Bewusstsein wohl schon weit genug ist.

almuth.spiegler@diepresse.com

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