Arbeit am Mythos

Das Paradies ist ein Ort in Kärnten, am Rand von Vorderberg im südlichen Gailtal, in jener feuchten Talebene zwischen Karnischen Alpen und Gailtaler Alpen, die lange Zeit als unberührt und unberührbar galt.


Die Gegend zwischen Nötsch und Hermagor war bis ins 19. Jahrhundert ein alpines Gegenstück zur französischen Camargue, mit Wildpferden und gefährlichen Sümpfen. Bis heute ist sie nur schwach besiedelt und Orte wie Vorderberg muten nach wie vor isoliert an, die Natur verbietet hier die für Kärnten typische weiträumige Verbauung.

Privates Paradies

Das Paradies ist ein uneinsehbarer Ort, einen Hektar groß, umzäunt von einer mehr als zwei Meter hohen Mauer aus nackten Ziegeln. Rings herum Bauernhöfe, Felder und Häuser, die durch ständiges Ausbauen und Renovieren eine Ansammlung von Baumeistertrends quer durch die Jahrzehnte darstellen. Das Paradies, sagt Cornelius Kolig, ist ein privater Ort. Ein Kunst-Ort in erster Linie, kein Menschen-Ort. Ein Ort der Ausschließung und der Ausschließlichkeit.

Das Paradies aus der Luft
Das Paradies aus der Luft

Das Bedürfnis nach Abgrenzung

"Der Sinn dieses architektonischen Ausschlussverfahrens ist der, dass man Räume bildet", sagt Cornelius Kolig. "Man bildet ja nicht nur Innenräume, sondern, wenn man gut baut, auch Räume im Freien. Ich nehme an, dass die Ortsbevölkerung das unverputzte, rohe Aussehen nicht mit ihrer Auffassung von Schönheit vereinbaren kann. Deshalb waren die Leute froh, als ich die Mauer rundherum gebaut habe. Genauso gibt es von meiner Seite das Bedürfnis, mich von der Umgebungsarchitektur auszuschließen. Die Ummauerung dient also auch als optischer Schutz für mich selbst."

Nichts für Völler

Das Paradies betritt man durch eine enge Passage. Übergewichtige werden sich schwer tun. Aber es stehe ja schon in der Bibel geschrieben, zitiert Cornelius Kolig, die Reichen würden nur unter Mühen ins Paradies gelangen.

Das Nordtor
Das Nordtor

Vom Stall zum Paradies

Seit 20 Jahren baut Kolig am Paradies. Angefangen hat alles Mitte der 70er Jahre, damals noch als HRAM. Das ist ein Begriff aus dem Slowenischen und bedeutet so viel wie Stall. Ein Kunst-Stall sollte es werden, zuerst nur als Lagerort für Koligs Skulpturen. Aber bald erhielt das HRAM eine sakrale Bedeutung. Kolig schwebte schon damals ein ritueller Ort vor, ein geschlossenes Ensemble aus Räumen und Kunstwerken, das keinen anderen Nutzen erfüllen sollte, als für sich selbst zu stehen. Nicht als öffentlicher Ort, nicht als Theater à la Prinzendorf, nicht einmal als Atelier oder Wohnort für den Künstler, sondern einzig als Kunst-Ort, der, so schwebt es Kolig vor, in naher Zukunft übers Internet zu besuchen sein soll.

"Das ist auch ein Beweis dafür", so Kolig, "dass, wenn man es in der Kunst weit gebracht hat, es nicht unbedingt notwendig ist zu verreisen. Deshalb steht hier dieser 15-Tonnen-Stein mit der Inschrift: Verweilen statt verreisen. Provinz kann ja überall sein und der urbane Raum kann überall sein."

Bauen am eigenen Heiligtum

Das aus dem HRAM hervorgegangene Paradies hat die sakralen Bezüge noch verdichtet. Der Grundriss der Anlage gleicht einem Kloster mit einer Kirche im Zentrum, mit Langhallen, einer Sixtina, mit Innenhöfen und, ganz vorne, einem in dem Boden versenkten Betonkreuz. Davor ein Stahlbogen mit der Aufschrift "spring". Gemeint ist, dass man sich aus dem Fenster des sogenannten Hauptquartiers stürzen soll - direkt auf das Betonkreuz, aus dessen Mitte ein Eisenstachel ragt. Wer Cornelius Kolig beim Wort nimmt, ist eindeutig verloren.

Ein Ungeliebter

"Irgendwann einmal, wenn es mich nicht mehr gibt, wird das hier ein Museum. Ich stelle mir auch eine Art Kloster vor, da lebt der Orden der Paradieser und die benützen meine Objekte, machen Kunst, verkaufen sie und erhalten dadurch das Projekt." Cornelius Kolig sagt das wie immer sehr kontrolliert. Er wirkt oft sogar ein wenig melancholisch. Sein Paradies wie seine Arbeiten erklärt er mit einem Gleichmut, der nichts von den öffentlichen Auseinandersetzungen ahnen lässt, die dieser Künstler seit Jahrzehnten den Kärntnern beschert.

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