Die Gegend zwischen Nötsch und Hermagor
war bis ins 19. Jahrhundert ein alpines Gegenstück zur französischen
Camargue, mit Wildpferden und gefährlichen Sümpfen. Bis heute ist sie nur
schwach besiedelt und Orte wie Vorderberg muten nach wie vor isoliert an,
die Natur verbietet hier die für Kärnten typische weiträumige
Verbauung.
Privates Paradies
Das Paradies ist ein uneinsehbarer Ort, einen Hektar groß, umzäunt von
einer mehr als zwei Meter hohen Mauer aus nackten Ziegeln. Rings herum
Bauernhöfe, Felder und Häuser, die durch ständiges Ausbauen und Renovieren
eine Ansammlung von Baumeistertrends quer durch die Jahrzehnte darstellen.
Das Paradies, sagt Cornelius Kolig, ist ein privater Ort. Ein Kunst-Ort in
erster Linie, kein Menschen-Ort. Ein Ort der Ausschließung und der
Ausschließlichkeit.
![Das Paradies aus der Luft](00051367-Dateien/1-paradies.jpg) |
Das Paradies aus der
Luft |
Das Bedürfnis nach Abgrenzung
"Der Sinn dieses architektonischen Ausschlussverfahrens ist der, dass
man Räume bildet", sagt Cornelius Kolig. "Man bildet ja nicht nur
Innenräume, sondern, wenn man gut baut, auch Räume im Freien. Ich nehme
an, dass die Ortsbevölkerung das unverputzte, rohe Aussehen nicht mit
ihrer Auffassung von Schönheit vereinbaren kann. Deshalb waren die Leute
froh, als ich die Mauer rundherum gebaut habe. Genauso gibt es von meiner
Seite das Bedürfnis, mich von der Umgebungsarchitektur auszuschließen. Die
Ummauerung dient also auch als optischer Schutz für mich selbst."
Nichts für Völler
Das Paradies betritt man durch eine enge Passage. Übergewichtige werden
sich schwer tun. Aber es stehe ja schon in der Bibel geschrieben, zitiert
Cornelius Kolig, die Reichen würden nur unter Mühen ins Paradies
gelangen.
![Das Nordtor](00051367-Dateien/1-nordtor.jpg) |
Das
Nordtor |
Vom Stall zum Paradies
Seit 20 Jahren baut Kolig am Paradies. Angefangen hat alles Mitte der
70er Jahre, damals noch als HRAM. Das ist ein Begriff aus dem Slowenischen
und bedeutet so viel wie Stall. Ein Kunst-Stall sollte es werden, zuerst
nur als Lagerort für Koligs Skulpturen. Aber bald erhielt das HRAM eine
sakrale Bedeutung. Kolig schwebte schon damals ein ritueller Ort vor, ein
geschlossenes Ensemble aus Räumen und Kunstwerken, das keinen anderen
Nutzen erfüllen sollte, als für sich selbst zu stehen. Nicht als
öffentlicher Ort, nicht als Theater à la Prinzendorf, nicht einmal als
Atelier oder Wohnort für den Künstler, sondern einzig als Kunst-Ort, der,
so schwebt es Kolig vor, in naher Zukunft übers Internet zu besuchen sein
soll.
"Das ist auch ein Beweis dafür", so Kolig, "dass, wenn man es in der
Kunst weit gebracht hat, es nicht unbedingt notwendig ist zu verreisen.
Deshalb steht hier dieser 15-Tonnen-Stein mit der Inschrift: Verweilen
statt verreisen. Provinz kann ja überall sein und der urbane Raum kann
überall sein."
Bauen am eigenen Heiligtum
Das aus dem HRAM hervorgegangene Paradies hat die sakralen Bezüge noch
verdichtet. Der Grundriss der Anlage gleicht einem Kloster mit einer
Kirche im Zentrum, mit Langhallen, einer Sixtina, mit Innenhöfen und, ganz
vorne, einem in dem Boden versenkten Betonkreuz. Davor ein Stahlbogen mit
der Aufschrift "spring". Gemeint ist, dass man sich aus dem Fenster des
sogenannten Hauptquartiers stürzen soll - direkt auf das Betonkreuz, aus
dessen Mitte ein Eisenstachel ragt. Wer Cornelius Kolig beim Wort nimmt,
ist eindeutig verloren.
Ein Ungeliebter
"Irgendwann einmal, wenn es mich nicht mehr gibt, wird das hier ein
Museum. Ich stelle mir auch eine Art Kloster vor, da lebt der Orden der
Paradieser und die benützen meine Objekte, machen Kunst, verkaufen sie und
erhalten dadurch das Projekt." Cornelius Kolig sagt das wie immer sehr
kontrolliert. Er wirkt oft sogar ein wenig melancholisch. Sein Paradies
wie seine Arbeiten erklärt er mit einem Gleichmut, der nichts von den
öffentlichen Auseinandersetzungen ahnen lässt, die dieser Künstler seit
Jahrzehnten den Kärntnern beschert.