(Des)-Informations-Gesellschaft 2000 | |
Information wird zum "Erdöl" des neuen Jahrtausends.
worldinformation.org wollen dafür sorgen, dass die "Benzinpreise" auch für
Normalsterbliche leistbar bleiben.
|
Information ist die heiße Ware des 21.
Jahrhunderts. Militärs und Regierungen sind in Sachen
Informationsbeschaffung durch ihre "Intelligence Agencies" (Geheimdienste)
relativ up to date. Die Wirtschaft zieht nach, vor allem im Internet: Kaum
eine Kommerz-Website, die nicht Cookies setzt oder sonstwie Informationen
über ihre User sammelt. Informationsgesellschaft?! Damit Informationen aber nicht nur als reines Mittel zum jeweiligen
politischen Zweck oder als Marketing-Tool enden, wird jenen Entwicklungen
von Seiten der Zivilgesellschaft nun eine zentrale "Cultural Intelligence
Agency" gegenübergestellt: world-information.org. Das Projekt wird von Public
Netbase t0 im Rahmen der Europäischen Kulturstadt Brüssel 2000 unter der
Patronanz der UNESCO
realisiert und verläuft auf mehreren Ebenen. Von 30. Juni bis 30. Juli
finden in Brüssel die drei Ausstellungen "World-Infostructure-Exhibition",
"Future Heritage Expo" und "World-C4U-Exhibition" statt. Landkarte der Informationsflüsse Die "World-Infostructure-Exhibition" führt zu den technischen,
politischen und kulturellen Grundlagen der weltweit vernetzten
Gesellschaft. Auf dem Weg vom Alphabet zum Internet lassen sich die
historischen Entwicklungslinien der Informations- und
Kommunikationstechnologien nachvollziehen. Die Ausstellung zeigt, wie
Informationsressourcen weltweit verteilt sind, wo und wie die Datenströme
auf dem Erdball verlaufen, und auf welchen Grundlagen die "New Economy"
beruht. Hilfe für zukünftige Archäologen Mit der "Future Heritage Expo", dem zweiten Ausstellungsteil, lädt
world-information.org zur Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe von morgen
ein: den vielfältigen Ausdrucks- und Arbeitsformen, die sich Künstler im
Umgang mit Informationstechnologien und elektronischen Netzwerken
angeeignet haben. Als wegweisende Künstler sind unter anderem RTMark (USA), Mongrel (UK), Ingo Günther (GER/USA), das Critical Art Ensemble
(USA) oder Marko Peljhan vertreten. Das Gros der Künstler ist persönlich
anwesend und hat zum Teil spezifische Arbeiten für world-information.org
entwickelt. Big Brother, der Echte Die "World-C4U-Exhibition" steht ganz im Zeichen der neuesten
Sicherheits- und Kontrolltechnologien. Command, Control, Computer und
Communication sind die Stichworte für die hautnahe Begegnung der Besucher
mit Technologien wie elektronische Stimmerkennung, digitaler Fingerabdruck
oder Iris-Scan. Die Besucher hinterlassen während des Rundganges durch die
Ausstellung ihre individuellen Datenspuren im integrierten Closed Circuit
TV System und werden mit ihren virtuellen Doppelgängern konfrontiert. World InfoCon Zur Vertiefung der Ausstellungsthemen und zur Intensivierung der
Diskussion lädt world-information.org zu einer Serie begleitender
internationaler Konferenzen, Symposien und Expertentreffen im Centre
Brussels 2000. Die größte Konferenz, die prominent besetzte und dicht
programmierte World InfoCon, findet von 13. bis 14. Juli 2000 im Centre
Brussels 2000 statt. Künstler, Experten, Nachrichtendienstmitglieder,
Wissenschafter und Politiker erörtern die wichtigsten Fragen der
Infosphäre. Europa ist Österreich! Ein wichtiger Punkt ist aber auch das Lobbying in den von
worldinformation.org angesprochenen Bereichen: "Weil wir nun schon einmal
in Brüssel sind", so Konrad Becker, t0-Chef und Mastermind von
world-information.org, "konzentrieren wir uns auf politisches Lobbying.
Was übrigens etwas desillusionierend ist. Auch auf europäischer Ebene gibt
es nicht viel mehr Verständnis für kulturelle, nicht-kommerzielle und
nicht-staatliche Anliegen in Bezug auf die neuen Medien als in
Österreich." "Mit einem Fuß im Schuldenturm" Dabei hatte man es hierzulande schon fast geschafft. Bis eine neue
Regierung kam. So wurden sämtliche Projektgelder für world-information.org
von Seiten des Außenamtes, des Wissenschaftsministeriums und der
Kunstsektion des Bundeskanzleramtes zurückgezogen. Becker: "Wir wurden
fallen gelassen wie eine heiße Kartoffel." Keine angenehme Situation, vor allem auch für Becker selbst, der
persönlich für das Projekt haftet: "Ich steh' mit einem Fuß im
Schuldenturm. Eine Förderung von Seiten der Stadt Wien hat mich quasi vor
dem Gefängnis bewahr." Von "Brüssel 2000" erhält t0 in Form von
Infrastruktur, Personal und Finanzen ein Gesamtbudget von sieben Millionen
Schilling. "Von der Umweltbewegung lernen" Auf die Frage, wie man dermaßen komplexe Themen an die Zielgruppe
bringen kann, um die es letztendlich geht, nämlich den durchschnittlichen
Netizen, der von einem Großteil relevanter Information ausgeschlossen
bleibt und den Rest manipuliert vorgesetzt bekommt, antwortet Becker: "Wir
versuchen in diesem Punkt von der Umweltbewegung der 70er und 80er Jahre
zu lernen. Aber wir arbeiten hier leider mit einem Taschengeld und müssen
aufpassen, dass das Projekt nicht in der Mitte durchbricht." Schließlich solle keine Wanderausstellung, sondern eine bleibende
Struktur geschaffen werden, innerhalb derer die schwer vermittelbaren
Themen von world-information.org einfach, aber nicht simplifiziert für ein
breites Publikum aufgearbeitet werden. Auf der Website gibt es schon einen
Newsroom mit Informationen, Meta-Informationen und Links zum weiten Feld
der Informationstechnologie und ihren gesellschafts- und sozialpolitischen
Implikationen. Aktionismus garantiert Dass Medienaktivisten wie Rtmark oder das Critical Art Ensemble
trotzdem nicht Bilder malen oder plumpe Statements abgeben, damit jeder
sofort weiß, worum's geht, versteht sich von selbst. Sie versuchen mit
ihrer üblichen Mischung aus Ironie und konzeptioneller Kunst aktuelle
Entwicklungen rund ums Netz auf höchstem theoretischen Niveau zu
verarschen. Rtmark werden einen eigenen Messestand für "Captain Europa" betreiben
und sämtliche Mechanismen der Propaganda für diesen fiktiven Counterpart
zu "Captain America" durchspielen. Das Critical Art Ensemble thematisiert
das "Human Genome Project", bei dem für die Entschlüsselung der
menschlichen DNA nur die Messdaten einer einzigen Frau hinzugezogen
wurden. Das Critical Art Ensemble verehrt diese Frau und hat den "Cult of
the New Eve", einen Eva-Kult, gegründet. Ganz im Stile der Zeugen Jehovas
werden sie versuchen, bei der Ausstellung Gläubige anzuwerben. Aus Österreich nehmen Oliver Ressler, Max Moswitzer und die
Künstlergruppe Monochrom an world-information.org teil, das von November
bis Dezember übrigens in Wien gastieren wird. Auch hierzulande soll ein
hochkarätiges Symposion zum Programm gehören, an der Planung wird noch
gearbeitet. ON KULTUR wird berichten. Themenverwandte Links: Netcondition
(1999), Netzkunst- und Netzpolitik- Ausstellung (ebenfalls inklusive
Vorträgen) des ZKM | ||
![]() |