Karikaturmuseum Krems: John Heartfields Fotomontagen
Sogar Hitler war Karl Marx
Von Claudia Aigner
Was uns schon immer irgendwie seltsam vorgekommen ist,
worüber wir uns aber nicht wirklich zu wundern getraut haben: Warum hat
Adolf Hitler bloß immer einen so schlaffen Hitlergruß praktiziert, als
wolle er sich die rechte Hand salopp nach hinten über die Schulter werfen,
statt den Arm - wie alle andern - preußisch streng und potent gestreckt
vorschnellen zu lassen? (In einem Hitlergruß-Wettbewerb hätte der Führer
der Blonden und Blauäugigen ja die allerschlechtesten Haltungsnoten
bekommen.) Er hat so lasch gegrüßt, weil die Millionen hinter ihm
gestanden sind. (Hitler: "Millionen stehen hinter mir!") Und so war es
halt einfach leichter, sie entgegenzunehmen (also die Banknoten-Bündel aus
den Händen der kapitalistischen Mäzene). John Heartfield (eigentlich
Helmut Herzfelde, aber das war, bevor er sich 1916 selbst anglisiert hat)
ist ihm da draufgekommen. Drei Wochen vor den Neuwahlen im November 1932,
die in weiterer Folge Hitler bekanntlich zum Reichskanzler gemacht haben.
Und seine Erkenntnis hat Heartfield gleich ganz groß auf dem Titelblatt
der "Arbeiter-Illustrierten-Zeitung" kundgetan, für die er seit 1930 seine
legendären politischen Fotomontagen angefertigt hat. (Ab 1933, nach seiner
Flucht aus Deutschland, geschah das von Prag aus, wo die "AIZ" in einer
kleineren Auflage weiterhin erschien. 1938 floh Heartfield dann übrigens
nach London weiter.) Noch bis 11. Mai zeigt das Karikaturmuseum in Krems,
in Zusammenarbeit mit der Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin,
eine feine Auswahl des bissigen, mitunter recht drastischen und schwarzen
antifaschistischen Humors dieses überzeugten Kommunisten, der der KPD
bereits am Tag ihrer Geburt, am 31. Dezember 1918, also praktisch noch im
Kreißsaal, beigetreten ist. Ein Bart wie ein kommunistisches Manifest:
"Volksaufklärer" Joseph Goebbels hängt seinem Führer eine imposante
"Kinnperücke" der Sorte "Karl Marx" um. Das Ergebnis: Adi Marx oder Karli
Hitler (je nach Geschmack). Eine hundsgemeine Mimikry, nämlich eine
vertrauensbildende Maßnahme. Damit die noch etwas reservierte
Arbeiterschaft beim Herrn über die braune Masse womöglich so zutraulich
wird wie die Kinder beim rauschebärtigen Weihnachtsmann. Und sich die
Proletarier, denen offenbar nicht ganz bewusst gewesen ist, dass sie ja
auch Arier (Prolet-Arier) sind, quasi auf den Schoß vom lieben Onkel Adi
setzen und sich arglos in sein Barttoupet kuscheln, in dem sich der Marx
vertraut manifestiert. Und für die prestigeträchtigen Olympischen Spiele
1936 in Berlin sind Heartfield viel passendere, weil realitätsnähere
Disziplinen eingefallen: "Beilschwingen" (wo die Richter mit ihren Beilen
ausholen, die hart wie Kruppstahl sind) oder "Köpferollen". Oder
Speerwerfen mit dem wohl unolympischsten aller Olympioniken, Hermann
Göring, bei dem ja die Kaumuskulatur körperlich am meisten ertüchtigt
gewesen sein dürfte, der also eine "trotzige Verkörperung männlicher
Kaukraft" war (frei zitiert nach "Mein Kampf"). Göring (mit Wikingerhelm,
aber, wie gesagt, ohne "nordisch-heldische" Statur) zielt nun auf Christus
am Kreuz, um ihm sportlich-ballistisch die Seitenwunde beizubringen (in
etwa wie Hagen dem hinten wehrlosen Siegfried, nur halt ein bisschen mehr
von vorn). Für eine zweite Religion neben Adolf Hitler war im
1.000-jährigen Reich eben kein Platz. Und auf uns Österreicher (die
wir damals angehende Ostmärker waren) wird auch nicht vergessen. Kernige
Alpinburschen in Lederhosen, lustige Holzhackerbuam (holladaro), säbeln da
ein Stückerl weg und dort ein Stückerl weg - und der kleine Unterschied
hat sich erledigt: "Diese kleine Differenz werden wir auch noch aus der
Welt schaffen." Und aus dem (verstümmelten) Krukenkreuz wird ein
Hakenkreuz. Die nicht nur für "Vergangenheitsbewältiger" interessante
Schau, die beweist, dass man schon vor dem Krieg "alles" gewusst hat,
bietet darüber hinaus Einblicke in Heartfields Arbeitsweise. In einer
Vitrine: gesammelte Pressefotos aus dem Nachlass. Und an den Wänden sowohl
die Zeitungsseiten (mit gepfeffert satirischen Kommentaren, in der Regel
von Heartfields Bruder Wieland) als auch die technisch präzisen, liebevoll
retuschierten Originalmontagen, wo auch noch die Schnittkanten geglättet
sind, damit man den endgültigen Resultaten auf Zeitungspapier die Schere
nicht mehr ansieht.
Erschienen am: 28.04.2003 |
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