01. März 2010 - 00:04 Uhr · Von Irene Gunnesch · Kultur

Porno-Streit im Musentempel

Porno-Streit im Musentempel
Der Schweizer Künstler Christoph Büchel hat mit seiner Installation eines realen Swingerclubs in den hehren Kunsthallen der Wiener Secession zumindest eines erreicht: Wieder einmal wird heftig die „Freiheit der Kunst“ diskutiert.

Ungehindert kommen heutzutage Jugendliche über Handy, Computer oder Satelliten-TV an riesige Datenmengen pornografischen Materials. Das ist zwar allen bewusst, aber es erregt eigenartigerweise die Öffentlichkeit keineswegs dermaßen, wie es seit einer Woche die neue Ausstellung von Christoph Büchel in der Wiener Secession tut: Der Schweizer Künstler bespielt (wie in den OÖN berichtet) das Untergeschoß der Secession bis 18. April mit einem echten Swingerclub. Tagsüber werden jene Besucher, die sich für das Beethovenfries interessieren, durch die leeren Räumlichkeiten geschickt, in der Nacht läuft im „Element6“ Normalbetrieb.

Hüter der Moral

Dieses Projekt des Künstlers, der in seinen Projekten stets reale Gesellschaftszustände inszeniert und soziale Situationen in den Kunstraum transportiert, will mit seiner Gruppensex-Bespielung des Kunstraumes auch die mitunter höchst absurde Notwendigkeit der Raumvermietung von Kulturinstitutionen aufzeigen. Denn selbst in Museen, wo sich ansonsten hochkarätige Kunst präsentiert, feiern oft außerhalb der Öffnungszeiten großteils inhaltlich „artfremde“ Firmen- und PR-Events fröhliche Urständ.

Die von Büchel ausgelöste öffentliche Diskussion ist jedenfalls gewollt und geschickt intendiert: Sie wiederholt jenen Aufruhr, den damals Gustav Klimt mit seinem Beethovenfries in der Secession ausgelöst hat. Und es ist heute wie damals: Selbsternannte Hüter der öffentlichen Moral zwischen FPÖ und greisem Pornojäger tappen flugs in die Skandalfalle. Ein „Sittenverfall“ unter dem „Missbrauch der ,Freiheit der Kunst’“ wird gewittert. Der einstige Wiener Aktionist Otto Mühl wird aus dem Köcher gezogen, Ausstellungen mit „Leichenschändungen oder Kindesmissbrauch“ in der Kunsthalle, die „den Trend der negativ Spirale (sic!) von Nihilismus und Perversion“ verschärfen würden. Denn Pornografie steht in unserer vorwiegend christlichen, vom „Sündenfall“ und der damit verbundenen nötigen Bedeckung von Blöße geprägten Gesellschaft sogar noch in Zeiten einer vermeintlichen Liberalisierung auf einer Ebene mit dem Verbotenen. Besonders, wenn es religiöse Themen in die Nähe des „Leiblichen“ rückt. Und so funktioniert die ja stets genau deswegen platzierte Thematik perfekt als Aufreger. Einem derartigen Kunstprojekt wird so erst jene Öffentlichkeit sicher, die es durch das Verwenden der noch immer als Tabu gehandelten Problematik angestrebt hat.

An der Empörung hat sich nichts geändert seit dem Pornokunstskandal von Egon Schiele um die Jahrhundertwende oder seit dem Linzer Pornokunstskandal um Bilder Erich Ruprechts anno 1960. Die funktionierte – um ein paar weitere Beispiele zu nennen:

* als Jeff Koons 1990 mit Cicciolina in seinem Kunstprojekt „Made in Heaven“ kopulierte.

* als Elke Krystufek 1994 in der Kunsthalle Wien mit einem Wasserschlauch onanierte.

* als die Gruppe „gelatin“ 2003 bei den Salzburger Festspielen ihren „arc de triom-phe“ aufstellte, einen Brunnen, der aus dem Penis spritzte.

Wie gesagt, die Empörung funktioniert. Auch in der Secession. Ob darüber auch der Transport der von Büchel artikulierten kritischen Inhalte in das Bewusstsein der Öffentlichkeit funktioniert, sei denn doch dahingestellt.

Info: bis 18. April. www.secession.at ; www.element6.at

Quelle: OÖNachrichten Zeitung
Artikel: http://www.nachrichten.at/nachrichten/kultur/art16,344253
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