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Kunstberichte
Leopold Museum: "Edvard Munch und das Unheimliche"

Bilder als Traumvisionen aus dem Schattenland

Aus dem Zyklus "Die Satanisten" von Félicien Rops:
Satan sät die Hexenbrut, 1882. Foto: Musée provincial, Namur

Aus dem Zyklus "Die Satanisten" von Félicien Rops:
Satan sät die Hexenbrut, 1882. Foto: Musée provincial, Namur

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Aufzählung Es ist die letzte Zusammenarbeit von Michael Fuhr mit Rudolf Leopold als Kurator: Der langjährige Assistent wechselt als Direktor an die Museen von Flensburg. Eine dunkle Mischung aus nordischem Expressionismus und Symbolismus in Wien, München und Paris ist "Edvard Munch und das Unheimliche" geworden: Fuhr packt offenbar die Wiener Psychoanalyse mit dem Aufsatz Sigmund Freuds über "Das Unheimliche" in seine Koffer, um dem Nordlichtfaktor zu trotzen.

Vorher schenkt er uns einen benebelnden Symbolismus-Cocktail im winterlichen Herbst ein: Das Munch Museum Oslo entsendet 30 Hauptwerke nach Wien, dabei die Selbstbildnisse als "Nachtwandler" und "In der Hölle", aber auch "Angst" oder "Das Weib (Sphinx)". Schon in diesen heftigen Auftakt wird in Wien klar, dass all das Dunkle aus unserem Inneren kommt. Seelenabgründe, Ängste oder andere Plagen – die Themenkreise im Rundgang verstärken mit dem Blick auf mysteriöse Alpträume eines James Ensor, Alfred Kubin oder Odilon Redon jenes gesteigerte Interesse der Künstler um 1900 am Unerklärlichen. Gespickt wird die Umnachtung mit Okkultem – etwa von Albert von Keller, Karl Wilhelm Diefenbach oder Alberto Martini, der wohl für Salvadore Dali und Ernst Fuchs prägend war. Die Ahnväter Giovanni Battista Piranesi und Francisco de Goya spucken in Max Klingers Süppchen von Liebeswahn und animierter Materie eines Handschuhwesens.

Düstere Aussichten

Alle Blickrichtungen sind düster – auch die Friedhofsvisionen der Nekrophilen von Kubin, Arnold Böcklin bis zu Mordgelüsten und diabolischen Fantasien eines Félicien Rops. In den toten Städten wie Brügge, das Malerei, Literatur und Musik beschwören, bleiben die Menschen Geister wie bei Fernand Khnopff oder Frantz Charlet. Jugendstilbildhauer Georg Minne hat dem Dichter Georges Rodenbach 1899 ein Denkmal mit einem aus dem Stein wachsenden wiedererwachenden Toten entworfen.

Egon Schieles aus Amerika heimgekehrte "Tote Stadt III" packt die psychische Finsternis in einen beengten Häuserblock im Schwarz. Entsetzen ist doch anziehend und "Die kalten Teufel" sehr oft böse Frauen, die als Vamps den einsamen Mann bedrohen. Er meint sich als genialer "Selbstseher" über der dunklen Materie, aber der Tod nagt schon am Lebensfaden aller. Der Schauer bleibt in den Bildern, daher sind diese Themen so beliebt. Wir kehren mit Erleichterung in den banalen Alltag zurück. Nur die Mündung des Symbolismus in Felder der okkulten Abstraktion bleibt in diesem dunklen Reigen bekannter Gemälde, Grafik und Kleinskulptur ausgespart. Hinter dem Vorhang des Symbolismus lassen die Kuratoren die Figurationen von Tod und Teufel bestehen.

Fürchten müssen sich Besucher nur vor der Menge an teils bekannten, teils zu entdeckenden Künstlergrößen, die alle beflügelt waren von der dunklen Existenz auf der "anderen Seite", wie Kubin sie in seinem Roman benannt hat.

Aufzählung Ausstellung
Edvard Munch und das Unheimliche
Rudolf Leopold, Michael Fuhr (Kuratoren)
Leopold Museum
Tel. 01/52570 0
bis 18. Jänner 2010

Printausgabe vom Freitag, 16. Oktober 2009

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