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84.000 Rosen für die Krise

14.03.2009 | 18:47 | von Almuth Spiegler (Die Presse)

Das ultimative Spektakel des Kunsthandels hat begonnen: die Tefaf in Maastricht. „Die Presse am Sonntag“ blickte sich um und landete im Lotterbett.

Donnerstagfrüh. Tag eins des größten Spektakels des internationalen Kunsthandels kommt ins Rollen: Auf dem Wiener Flughafen bereiten sich Belvedere-Chefin Husslein und KHM-Galerieleiter Schütz auf die Schmach vor, im Schlaraffenland der Tefaf, der weltwichtigsten Kunstmesse, viele Kontakte pflegen, aber nichts ankaufen zu können.

Die Wiener Händler Wienerroither und Kohlbacher stellen sich seelisch darauf ein, das Spitzenwerk ihrer bisherigen Karriere, das Schiele-Bild „Mutter und Kind“, um 8,5 Mio. Euro am Stand ihres Londoner Kollegen Nagy zu sehen, eine Kooperation unter Freunden. Nächstes Jahr um diese Zeit, so hoffen sie, werden sie längst selbst nach Maastricht geflogen sein. Wie es ihr Kollege Wolfgang Bauer von „Bel Etage“ heuer konnte, der jetzt gerade einen letzten prüfenden Blick über seine erste Tefaf-Koje voll Wiener Jugendstil gleiten lässt: der ultimative Adelsschlag.

Und Johann Kräftner, Sammlungsleiter des Fürsten Liechtenstein, schreitet schon an 84.000 Rosen, 51.000 Tulpen, 5100 Ranunkeln vorbei, zu seiner ersten, elitär-einsamen Runde durch die 239 Kojen, die ein Bühnenbildner entlang eleganter „Avenues“ arrangiert hat. Erst ab Mittag werden sie sich dann langsam mit mageren Damen und reichen Gatten füllen – bis 21 Uhr werden dann 4200 Vernissagebesucher 17.000 Gläser Champagner und 7000 Austern geschlürft haben.

Inzwischen hat sich die Atmosphäre auch bei den nüchternen Händlern entspannt – die Wirtschaftskrise scheint den Markt für alte Kunst in diesem Spitzensegment (noch) nicht erreicht zu haben, die ersten roten Punkte erscheinen, die ersten Topverkäufe werden verkündet: Bernheimer-Colnaghi etwa konnte seinen Rubens verkaufen, das Porträt eines jungen Mannes, um knapp fünf Mio. Euro.

Das Interesse ist groß, die Preise sind größer: Vor einem Stillleben mit Fasan des Wiener Malers Carl Schuch lässt sich eine Gruppe beraten, 230.000 Euro kostet das Stück bei „Daxer & Marschall“. Roman Herzig (Sanct Lucas) konnte seinen exzellenten Amerling mit dem fünfjährigen Prinzen Odescalchi, in griechischem Kostüm für einen Kinderball des Fürsten Metternich verkleidet, für ein Museum reservieren – „kein österreichisches, da besteht keine Gefahr“, merkt er trocken an.

Ebenfalls noch keine Anfrage aus Österreich will der Kunsthandel Rudigier für ein verspiegeltes Danhauser-Kabinett aus Mahagoni erhalten haben, das einst in der Albertina stand (235.000 Euro). Seine fast 200 Jahre sieht man ihm nicht an, blitzblank, wie es dasteht – wie das meiste auf der Tefaf hochpoliert, zu sehr, scheint es manchmal. Was Händler wie Ulrich Fiedler zu spüren kriegen, der in der neuen, ein Stockwerk höher etwas benachteiligt angesiedelten Designsektion einen Stand voll Bauhaus-Möbel hat: Die im Originalzustand bewahrten Designklassiker wirken fast schäbig hier. Verkaufen konnte er noch nichts.

Dafür hat Wolfgang Bauer schon am Eröffnungstag zwei frühe Hoffmann-Vitrinen an den Liebhaber gebracht, einen Hoffmann-Spiegel, eine Hoffmann-Sitzgruppe. Sogar die Hoffmann-Wiege bietet er an, in der er die eigenen Kinder wiegte (150.000 Euro).

Gerne würde man jetzt auch müde umfallen, lieber aber am Stand von „Pelham“ ins Lotterbett der Primaballerina der Pariser Oper, einer der großen Kurtisanen der Zeit Ludwigs XVI. Das „Terpischore Bed“, benannt nach der Muse des Tanzes, ist zwar relativ schlicht vergoldet, aber vom großen Revolutionsarchitekten Claude Nicolas Ledoux gestaltet – alles bestens also? Fehlt nur noch diese läppische eine Million Euro für die wilden Träume.


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