Der
taktile Reiz von Oberflächen und Materialien spielt sich in der
bildenden Kunst über das Auge ab. Denn meistens gilt: anfassen
verboten. Und damit eröffnet sich ein Spielraum für kleine, raffinierte
Schwindeleien.
Solche Mogeleien sind bei Joachim Grommek künstlerisches Prinzip, und man verzeiht sie ihm gerne. Während die Trompe-l'œil-Bilder der Renaissance meist Architekturen und Landschaften vortäuschten, gaukelt uns der in Berlin lebende Grommek (geb. 1957) nicht Motive, sondern Materialien vor. Nicht etwa edler Carrara-Marmor wird handwerklich perfekt nachgeahmt, sondern "arme" Pressspanplatte und Klebeband - das glänzende wie das matte - mit Lack, Acryl und Öl imitiert. Der Bildträger von Grommeks abstrakten Kompositionen ist allerdings grundierte Spanplatte. Er verdeckt demnach das, was er imitiert. Aber gleichzeitig macht er so das Verhältnis von Träger, Rahmen und Bild erst sichtbar.
"Authentische Fälschung" oder "wahre Illusion" nennt er selbst seine raffinierte Methode der Verdrehungen und Umkehrungen, die Ulrike Reinert nun auch dem österreichischen Publikum vorstellt. Grommek betreibt ein - nicht nur ironisches - Spiel mit Kunstfertigkeiten; mit Fertigkeiten, die der Betrieb vom Produzenten gar nicht mehr verlangen will oder kann, die "überholt" erscheinen. Dieses Hinterfragen des Wesens der Kunst zeigt sich auch im Zitieren der Kunstgeschichte, in seinen Bezügen zu Referenzgrößen der abstrakten Malerei wie Kasimir Malewitsch oder Piet Mondrian oder im Umgang mit Andy Warhols Arbeiten. Dessen Drucke führte er wieder ins Malerische zurück.
"Ikonen" , die durch endloses Reproduzieren zur platten Fläche, zur friktionsfreien Projektionsfläche verkommen sind, erinnert Grommek nicht ohne Humor an ihre einstige Plastizität: Die Rolle der kleinen Holztafel, verbreitetes Trägermedium christlicher Ikonen, spielt nun jedoch die Spanplatte. (kafe / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.8.2008)