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Kunstberichte

Mit Ritter Iwan in der Nautilus

Ausstellung
Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Irgendwo zwischen Hippie und christlichem Märtyrer stilisiert, blinzelt er uns schon von den Plakaten an: Jonathan Meese. Bei den Essls in Klosterneuburg hat er im oberen Stockwerk seinen malenden Pubertätsrausch über das Museum gekippt und Musiker Karlheinz aus der Sammlerfamilie unterstützt ihn mit Höllentönen. Das Ergebnis einer übermalten Installation lässt sich im Winter mit apokalyptischen Bronzeskulpturen und einem Tross von fahrbaren Holzhütten besichtigen.

Kunst ist dabei sicher nicht mit Schönheit zu assoziieren, sondern eher mit einer Mischung aus Graffiti und totalem Theater. Neben dem Titel "Fräulein Atlantis" wachsen auf riesigen Leinwänden oder gleich direkt an der Wand Ritter- und Gralsburgen samt sexwütigen Bewohnern über alle Abgrenzungen hinweg.

Isis und Struwwelpeter

Diktatoren wie Adolf Hitler und Benito Mussolini feiern in Onkel Toms Hütte Auferstehung in Bild und Wort, manchmal wachsen aber auch Monster wie ein "Stalinnietzsche" aus Bronzemasse zusammen. Alles ist von Pop, Punk und Gothic durchdrungen, ein Gesamtkunstwerk an Zynismus zwischen Frankenstein, Dracula und Dr. No. Selbst zieht sich der 1970 in Tokio geborene deutsche Künstler gerne die Maske des ewig jugendlichen, als Schauspieler immer das Böse verkörpernden Sexprotz Klaus Kinsky an.

Struwwelpeter paart sich mit der Göttin Isis im Kunstkult, die Ordensburg aus Nazigold ist von der Wehrmacht aus der Bronzezeit besetzt und im total rechtsfreien Raum treffen die Soldiers of Fortune auf Suzy Wong und Dr. Mabuse. In seine berserkerischen Farbspuren, meist in Form von bunten Endlosnudeln oder Schmutzflecken, schreibt er aber auch: "Dies alles ist Arbeit, die keine Arbeit macht" und "Ich lerne Macht" – wohl eine Anspielung auf seine gute Position am Kunstmarkt, nicht nur in Berlin.

Harmloser Stimulans

Die Käufer lieben ihn wohl als Stimulans ihrer postmodernen Langeweile, wegen seiner Ignoranz gegenüber politischer Korrektheit und weil er angeblich neben der Malrevolution als Person so sanftmütig und harmlos ist.

Die Essls aber mögen wohl seine Bezeichnung der Kunstmaschine in der Rotunde: Meese nennt sie neben Fräulein Atlantis "Raketenabschussplattform der Totalkunst inmitten der Kommandozentrale der Kunst". Eine wortwörtliche Durchführung der Bemalung gewisser Körperstellen ist beim "Herzbub" der "Vampirmädchen" sicher auch zu bekommen. Mythologie und Größenwahn werden in der Multiplikation des Antigenies auch durch mehrere Life-Performances gewürfelt – eine davon die Katalogpräsentation am 10. November von 10 bis 18 Uhr im Kunsttempel von Klosterneuburg.

Jonathan Meese

Fräulein Atlantis

Essl Museum Klosterneuburg

Bis 3. Februar

Trash-Universum.

Donnerstag, 08. November 2007


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