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Kunstberichte

Die Sanktuarien der Grausamkeit

Die Kunsthalle geht in "Viva la Muerte!" der Beziehung von Kunst und Tod in Lateinamerika auf den Grund
Illustration
- „A Makeover for Santa Muerte“ (2006) eine Installation von Pedro Reyes, kommentiert den Tod aus lateinamerikanischer Sicht.  Foto: Kunsthalle Wien/Urusla Leitgeb

„A Makeover for Santa Muerte“ (2006) eine Installation von Pedro Reyes, kommentiert den Tod aus lateinamerikanischer Sicht. Foto: Kunsthalle Wien/Urusla Leitgeb

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Liebe und Tod – ein Geschwisterpaar durch die Jahrhunderte hindurch. Auch für die Wiener Kunsthalle, die als Dialog zur Liebe in der Schau "True Romance" jetzt junge Kunst aus Lateinamerika in ihrer intensiven Auseinandersetzung mit dem Tod zeigt. Egal ob durch Rückblick in die spanische Kolonialgeschichte, das Abschlachten der einheimischen indigenen Bevölkerung, die Rituale eines veralteten Katholizismus mit Verhüllung und Märtyrerblut oder die neuen Erscheinungsformen der "heiligen Tödin" als Skelett im Abendkleid mit Sense: Die lateinamerikanische Künstlerschaft liebt den Tod als Thema.

Cildo Meireles hat schon 1987 hinter schwarzem Vorhang eine zwei Tonnen schwere Installation aus Münzen am Boden, von der Decke hängenden Knochen und einer Säule aus Oblaten konzipiert. Sinnbilder des Todes sind auch die von Juan Manuel Echavarria zu Blütenformen kombinierten Knochen, die er als moderne Herbarien fotografiert. Pedro Reyes hat der verhüllten Frau Tod eine Kugel in die Hand gegeben und sie ist als bunte Puppe aufgestellt.

Von den vielen Videoarbeiten ist sicher das gefundene Material von Ivan Edeza hervorzuheben: Es zeigt die Jagd per Helikopter auf Indios im Dschungel und das Abscheiden von deren Ohren als Jagdtrophäe.

Ironie und Tod

Doch der Tod kommt auch mit Ironie und viel Lebendigkeit: Als Tätowierung und Schmuck bei Stephan Lugbauer – einem "Zugereisten" aus Europa, der wie Santiago Serra dem sozialen Blick auf den Tod viel abgewinnen kann. Dr. Larka schließlich weidet sich in den barocken Anspielungen des Vergänglichen, in dem er Illustrierten-Schönheiten zur Hälfte zum Skelett verwandelt.

Der konzeptuelle Blick auf Verschwundene, zufällige Tode oder den Mord: Ilán Liebermann, Enrique Metinides, sowie Bastienne Schmidts durch Teller vor dem Gesicht anonymisierten Killer der Drogenkartelle bewegen sich zwischen Dokumentation und Voyeurismus.

Schwarze Kulissen sind die Art Déco-Bauten des argentinischen Architekten Francisco Salamone, die Esteban Pastorino im altmodischen Gummidruckverfahren zu bedrohlichen Nachtstücken wandelt. Die Metropolis als Moloch – so auch Mexiko City bei Melanie Smith. Ob Totenkopf mit Schachbrettmuster von Gabriel Orozco oder Fährmann ins Jenseits von José Alejandro Restrepo: Die Todesmetaphern prägen die Kunst dieses Kontinents bis ins Heute.

Viva la Muerte

Kunst und Tod in

Lateinamerika

Kuratoren: Gerald Matt und

Thomas Mießgang

Kunsthalle

Zu sehen bis 17. Feb. 2008

Kunst des Makabren.

Dienstag, 16. Oktober 2007


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