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Venedigs Nachtpoetik

Stille und Einsamkeit in Venedig thematisieren die Kohlezeichnungen von Eduard Angeli in der Albertina
Hören Sie hier Wellen rauschen? Eduard Angelis

Hören Sie hier Wellen rauschen? Eduard Angelis "Wellenbrecher" (2005) brauchen Phantasie. Eduard Angeli

Von Brigitte Borchhardt-Birbaumer

Ein Zyklus von etwa zwanzig großformatigen Kohlezeichnungen des Wiener Künstlers Eduard Angeli hat Häuser, Brücken, Kräne, Fischerhütten und Strandkabinen aus Venedig als Thema.

Zwar ist an manchem unspektakulären Fragment zu erkennen, dass es sich um die berühmte Lagunenstadt handelt, aber Alltag und Menschen sind nicht zu finden. Es ist eine Stadt im Zustand des Traumes, auch wenn die Realität von Lido oder Arsenale, von Hafen und Glasfabriken tatsächlich gegeben ist.

Wie immer spielt aber die Reflexion über die Kunst, die geometrische Form, Farbreduktion und das Material des weichen Kohle- und Kreidestifts eine ebenso große Rolle.

Vor zwanzig Jahren hatte Angeli seine erste Albertinaschau – damals war er von einem langen Aufenthalt in Istanbul heimgekehrt. Heute lebt er wieder am Meer und widmet sich anhaltend Stille und Einsamkeit. Auch wenn vor seinem Atelier die Touristenmassen durch Venedig strömen, beherrscht die Leere wesentlich seine künstlerische Gegenwart.

Inneres Sehen

In seinen Blättern könnte es Morgen oder Abend sein oder ist es gar ein "inneres Sehen", wie es schon Caspar David Friedrich bevorzugt hat?

Der Vorwurf, das Nichts zu malen, kann Angeli heute nicht mehr einholen, seine Position zwischen Abstraktion und Gegenstand ist ganz am Puls der Zeit.

Die Ironie, mit Mitteln des Realismus eine mythische Gegenwart zu erzeugen, kannten jedoch neben Friedrich auch Künstler des Symbolismus wie Fernand Khnopff. Dessen Interpretation von Maurice Maeterlincks Text über Brügge gaben einst Ernst Krenek die Anregung zur Oper "Die tote Stadt". Angelis Zeichnungen teilen mit allen Künstlern, die das Geometrisch-Abstrakte betonen, die Affinität zur Musik.

Da er aber jegliche subjektive Interpretation offen lässt, mag so mancher vordergründig an reduzierte Arbeiten von Giovanni Battista Piranesi oder Francesco Guardi denken, doch es sind eben keine Stadtansichten in deren Sinn.

Die Parallele zum Manierismus liegt schon eher in der Vieldeutigkeit und in der Bühnenhaftigkeit, die Klaus Schröder für einzelne Ansichten mit stürzenden Perspektiven konstatiert.

Auch weil sich die Farbnebel des kreidigen Materials düster über diese Raumgassen legen, wirkt das Ambiente nicht abgeschlossen. Auch diese mögliche Ausdehnung der dunklen Flächen in den Betrachterraum mag an die letztlich irreale Landschaftsmalerei des großen Romantikers erinnern.

Angelis Zitate von der Bühnenkunst der Antike wie der Renaissance, seine Einbindung von Romantik und Symbolismus zeigen Kenntnisse der Kunstgeschichte, geben aber keine Inhalte preis. Sie sprechen direkt die Psyche an.

Freitag, 13. Jänner 2006


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