Bilder Weggegangener | |
Die künstlerische Fotoszene in Ungarn, beleuchtet
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Wenn man von klassischer Fotografie in Ungarn spricht, dann muss man
die typisch osteuropäische Geschichte vom großen Exodus erzählen. In den
20er und 30er Jahren gab es eine Massenauswanderung ungarischer
Wissenschafter und Künstler - in Ungarn war die erste kommunistische
Revolution niedergeschlagen worden, und im reaktionären Horthy-Regime
wurde es immer enger. Einige der talentiertesten jungen Fotografen gingen
nach Frankreich oder in die USA.
André Kertesz oder Brassai (recte Gyula Halász) waren Leitfiguren der
großen Pariser Fotokultur in der Zwischenkriegszeit. Zum Kanon der
klassischen Schwarzweiß-Fotografie gehören auch der grandiose Mihály
Munkácsi oder der Kriegsreporter und Magnum-Begründer Robert Capa, der
eigentlich Endre Friedmann hieß: Von ihm stammt das bekannte Foto des
sterbenden Kämpfers im spanischen Bürgerkrieg. Daheimgeblieben
Die weltberühmte Fotografie aus Ungarn ist also ein Exilphänomen. Was
im Land selbst seit den 20er Jahren entstanden ist, kennt man dagegen im
Ausland kaum. Die Leiter des ungarischen Fotomuseums Kecskemét, Károly
Kincses und Magdolna Kolta, wollten dagegen etwas tun. Sie lancierten ein
internationales Ausstellungs- und Buchprojekt namens "Photography made in
Hungary - some went away, some stayed behind" - also: "Die Weggegangenen
und die Daheimgebliebenen". Károly Kincses meint dazu: "Wir stellten fest, dass man diese
Generation von Fotografen nicht in zwei Teile teilen kann - hier die
besten, die Emigranten, dort die Zurückgebliebenen, die weniger guten
Künstler. Wir fanden das Niveau beider Gruppen gleich hoch - nur hatten
die Exilfotografen eine andere Maschinerie hinter sich. Wir wollten die
Weggegangenen und die Daheimgebliebenen zusammenbringen und auf diese Art
zeigen, was das kleine Land Ungarn der Welt in dieser Sparte zu bieten
hat."
Das Museum Das Fotomuseum Kecskemét befindet sich in einer eigens dafür umgebauten
Synagoge. Die studierte Theaterhistorikerin Magdolna Kolta und der
Fotograf Károly Kincses haben das Museum vor zehn Jahren als private
Stiftung gegründet, mit Kapital von der ungarischen Fotografen-Assoziation
und Sponsoren. Hätten die beiden es auf staatlichem Weg versucht, dann
wären sie in den damaligen Übergangswirren wohl kaum zum Ziel gekommen. So
hat das Haus unter den ungarischen Museen eine eigenartige und finanziell
nachteilige Sonderstellung. Magdolna Kolta beschreibt das so: "Eigentlich handelt es sich um das
nationale ungarische Museum für Fotografie - aber wir sind eben eine
Stiftung. Die Folge ist, dass wir weder vom Staat noch von der Stadt
regelmäßige Unterstützung bekommen. Jedes Mal im Jänner starten wir mit
Null Forint. Das Budget für laufende Ausgaben und für das
Ausstellungsprogramm müssen wir selber auftreiben." Haus der Fotografie, Budapest In Budapest gibt es eine Partnerinstitution des Kecskeméter Fotomuseums
- das ungarische Haus der Fotografie. Es befindet sich im "Mai Manó ház",
einem besonders schmucken Gründerzeitbau nahe der Oper - der
Jahrhundertwende-Fotograf Immanuel May, der sich dann magyarisiert Mai
Manó nannte, hatte das Haus als Fotostudio für sich bauen lassen. Hier
gibt es Ausstellungsräume auf drei Etagen, darunter das schöne
glasüberdachte "Tageslichtstudio" ganz oben. Im Mai Manó-haus wird derzeit unter anderem eine Ausstellung junger
Foto-Stipendiaten gezeigt. Farbfotografie als Medium zeitgenössischer
Kunst. Konzepte und Strategien auf dem aktuellen Stand der Medienkunst,
unterschiedlich originell. Die meisten Serien haben eine Tendenz zum
Narrativen, zum Erzählen kleiner Geschichten. Help Yourself
Was noch auffällt, ist der Humor in den meisten Bildern. "Humor in der
Kunst finde ich sehr wichtig", sagt Hajnal Németh, eine der Künstlerinnen
in der Schau. Ihre Arbeiten waren schon in der Galerie
Knoll (Wien/ Budapest) zu sehen. Eine ihrer Serien heißt "help
yourself": Németh als Krankenschwester, die gerade eine Pause macht und
nicht den Kranken hilft, sondern sich selbst - mit roten Strümpfen
bekleidet, sendet sie ungeachtet des weißen Kittels diskret erotische
Signale aus. Der Titel "help yourself" in der Szenerie vor einem Spital
spielt aber auch auf den extremen Sozialabbau in Ungarn an. In zwei Fotos thematisiert Hajnal Németh einen anderen Aspekt der neuen
ungarischen Realität: Eine kleine Szene in einem Supermarkt, auch in
Ungarn heute bereits das tägliche Lebensambiente der Menschen. Speziell am
Stadtrand von Budapest entstehen Supermärkte und Einkaufswelten von
riesigen Dimensionen.
Marktwert Auch die Fotografie und die Bildende Kunst im allgemeinen findet
allmählich und zögerlich, aber doch einen Markt. Bis vor kurzem hörte man
von Galeristen immer die gleiche Klage: "Die Intellektuellen haben kein
Geld, die Neureichen keinen Geschmack, und der wohlhabende Mittelstand
existiert noch nicht.." Das beginnt sich zu ändern. Johannes Knoll, der in
Wien und Budapest Galerien betreibt, ortet ein neues Käuferpublikum:
Familien, Wirtschaftstreibende, ein paar Großkäufer wie Museen. Die
Institutionen aber kaufen zumeist bei den Künstlern direkt - zu extrem
niedrigen Preisen, sodass die endgültige Professionalisierung des
ungarischen Kunstmarktes noch aussteht. Tipp: Reichhaltige Informationen über die ungarische Fotoszene auf der Homepage des
Fotomuseums. Junge Szene Ungarn Budapest ist schnell und lebendig - eine vielfältige freie Tanz-, Jazz- und Experimental-Popszene zeugt davon. Künstler aus dem ehemaligen jungen Underground der kommunistischen Zeit organisieren mit geringen Mitteln eine unabhängige Veranstaltungsszene. Mehr... | ||||||||||||
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