Salzburger Nachrichten am 22. November 2001 - Bereich: kultur
Querdenker und Spötter
Im Museum für Angewandte Kunst ist eine Personalausstellung von
Franz West zu sehen. Was zur Kunst wird, ist seine alleinige Entscheidung.
JANA WISNIEWSKI
"Hängen Sie sich ein Passstück um den Hals + setzen Sie sich in
Szene!" Die neuesten Passstücke haben die selbe Funktion wie jene
Skulpturen, mit denen der Weg des Künstlers begann. Alle Sitzgelegenheiten
sind anwendbar, steht als Aufforderung an der Wand, aber sind die
Sitzmöbel einladend? So sperrig wie die "Schmuckstücke", so rau und wenig
hautfreundlich sind die "Möbel". Mit wenig Aufwand und viel Ironie
entsteht eine Kultur der Verneinung von "Gestaltung", die aber gerade
durch die Verhöhnung die Muster dahinter freilegt.
Wichtig ist eine gute Verdauung
Der in den letzten Jahren meistgezeigte österreichische Künstler
bedient das Muster des Künstlers als Querdenker und eines "Wienbilds", wie
man es gerne zurichtet: mit sympathischen Querulanten,
Fortschrittskritikern, Lebenskünstlern, die "leidend" genießen. Gnadenlos
zerstört er die Vorstellung, dass Kunst innovativen Charakter haben muss,
indem er nicht nur sich selbst plagiiert, sondern auch Ideen von aktuellen
Kunstwerken und Künstlerkollegen auf seine Weise nützt.
Mit seinem Vernissagen-Schaugießen (weil Bildhauer über Gips
gießen, macht er es umgekehrt und setzt ein funktionsfähiges Auto au-ßer
Betrieb) stülpt er sich auch noch eine Idee von Erwin Wurm über. Mit
seinen "Selbstbezeichnungen" als multiple Persönlichkeit wiederholt er
Peter Weibels Ausstellungsidee, die in den selben Räumen stattgefunden
hat.
Sein Modell "Drama" ist die Vergrößerung des Originals, welches
bereits im öffentlichen Raum aufgestellt ist, das allerdings nur ein
Drittel der Ausmaße hat. Also zuerst das Original und dann das Modell, ein
Umkehrschluss, der aber auch umgekehrt funktioniert, denn wie oft werden
tadellose Anwendungen als Idee einer anderen Person groß herausgebracht,
gedankenlos wiederholt und bekommen erst als sattsam wiedergekäute
"Innovation" Weltgeltung.
Es mag kein Zufall sein, dass die Skulptur "Drama" einen in sich
geschlossenen Darm darstellt, also die unendliche Verdauung. Mit
"Brückenköpfen" ziert er die unmittelbar neben dem Museum für Angewandte
Kunst liegende Brü-cke mit Köpfen, die aber in ihrer Ausformung an jene
Vasen erinnern, die nicht weit in dem einen oder anderen Park ähnliche
Geländer zieren.
Im Inneren des Ausstellungsensembles installiert Franz West ein
Raumgebilde mit "Turmargument", ein Environment, das an die unendliche
Diskussion über den ursprünglich geplanten Bücherturm im Wiener
Museumsquartier mit künstlerischen Mitteln anknüpft. Ob Museumsneubau oder
Alpenglühn, was immer Franz West anfasst, wird zum Spottgedicht. Wer hoch
stapelt, fällt in der Gunst des Künstlers tief, am Ende bleibt immer ein
wenig Gips und Farbe.
Bis 17. Februar 2002
|