Die neue Diagonale: Straffer und intensiver

16. März 2009 | 12:14 | | MARTIN BEHR (SN).
Porträt. Barbara Pichler eröffnet heute, Dienstag, ihre erste Diagonale in Graz. Die in Wien lebende Kärntnerin will keine Intendantin sein.
MARTIN BEHR
GRAZ (SN). Die Intendantin heißt jetzt Leiterin. „Intendantin klang zu pompös und zu operettenhaft. Und ich bin generell keine Freundin von Titeln“, erläutert Barbara Pichler im SN-Gespräch. Die 40-jährige Kärntnerin hat heuer erstmals das Programm für die Grazer Diagonale, das Festival des österreichischen Films, kuratiert. Mit den rund hundert ausgewählten Filmen hat die Nachfolgerin von Birgit Flos das Angebot etwas reduziert, Pichler strebt auch eine Erhöhung der internationalen Relevanz des Festivals an.

Filme werden länger

Sie habe schon ziemlich genau gewusst, was auf sie zukomme, berichtet die Filmfachfrau, die Theater- und Filmwissenschaften in Wien und London studiert hat. Schließlich hat sie noch in der Ära Dollhofer/Wulff Programmschienen kuratiert und war später für den Diagonale-Katalog verantwortlich. Welche Trends sind ihr bei der Sichtung der eingereichten 500 Filme aufgefallen? „Es entstehen in Österreich nach wie vor viele Dokumentarfilme, verstärkt auch solche an der Grenze zum experimentellen Film. Und die Arbeiten werden zunehmend länger“, sagt Pichler, die das Festival heute, Dienstag, mit einer Rede und der melancholischen Komödie „Kleine Fische“ von Marco Antoniazzi eröffnen wird.

Der Grund für das ausgedehnte Geschichtenerzählen? „Sicher auch die technischen Entwicklungen, die das Entstehen von Langfilmen günstiger machen.“ Nicht immer sei die breite Darlegung eines Themas aber von Vorteil. „Manchmal wäre mit weniger schon mehr gesagt“, stellt die seit Jahren in Wien lebende Festivalleiterin fest.

Dass die Filmauswahl nur rund vierzig Prozent ihrer Tätigkeit ausmache, das habe sie dann doch überrascht, gesteht Barbara Pichler. Organisatorische und finanzielle Agenden stünden eben auch auf der Tagesordnung einer Filmfestivalleiterin. Den bei anderen, größeren Festivals üblichen „Uraufführungswahn“ will Pichler nicht mitmachen, wohl aber bekommt sie die Auswirkungen dieses zweifelhaften Trends zu spüren. Dann etwa, wenn Uraufführungen oder Österreich-Premieren heimischer Spielfilme aus marketingtechnischen Gründen nicht in Graz, sondern im Ausland über die Bühne gehen: „Es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass etwa in Cannes nur Uraufführungen eine Chance haben.“ Aus strategischen Überlegungen kämen Filme immer wieder auch kurz vor Beginn der Diagonale ins Kino: „Das ist sicher auch nicht optimal.“

Betonung der Ästhetik

Zur gesellschaftspolitischen Tradition des Festivals bekennt sich Pichler, stellt aber auch klar, dass die ästhetischen Komponenten nicht außer Acht gelassen werden dürfen: „Ich kann einen Film nicht bloß zeigen, weil das Thema wichtig ist. Das geht nicht. Filmsprache und Stil sind ebenfalls bedeutsam.“ Soziales Engagement sei essenziell, filmkünstlerische Sprache auch.

In einem „Falter“-Interview sagte die Festivalleiterin, dass die Diagonale ja „kein Menschenrechtsfestival“ sei. Trotz dieser klaren Worte wirkt sie konzilianter und dialogbereiter als ihre Vorgängerin. Verbale Scharmützel mit Medienvertretern sind ihre Sache nicht, klare Grenzziehungen zu einer Art Regenbogenjournalismus erscheinen ihr aber wichtig: „Dem Wunsch, Privatfotos von mir abzudrucken, werde ich sicher nicht nachkommen.“

Das mit einem Budget von 1,4 Millionen Euro ausgestattete Festival hat nach Ansicht Barbara Pichlers eine ungewisse Zukunft. Stichwort Wirtschaftskrise: Wie sich diese auf die Branche und auf das Festival auswirke, sei vorerst nicht abzuschätzen. Sie hoffe, dass das Budget für 2010 Ende April stehe. Weiters: Dass die Diagonale 09 „richtig intensiv“, die Eröffnung „auch Spaß machen“ wird.

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