Salzburger Nachrichten am 29. August 2006 - Bereich: Kultur
Auf der Suche nach dem schwarzen Gold

Rem Koolhaas machte aus einer Kohlenwäsche ein Museum: Die Ausstellung "Entry 2006" weiht den Bau in Essen ein

ANNE ISOPP ESSEN (SN). Dunkle Regenwolken hängen am Himmel. Der Bahnhofsvorplatz von Essen sieht noch etwas trister aus als sonst. Dabei ist es ein Festtag für die Ruhrgebietsmetropole. Fünfzehn Straßenbahnminuten entfernt, auf der Zeche Zollverein, wurde am vorigen Samstag die umgebaute Kohlenwäsche mit "Entry 2006", einem internationalen Design- und Architekturforum, eröffnet. Damit ist ein weiterer Schritt der Umstrukturierung des stillgelegten Industrieareals zu einem europaweit einzigartigen Kulturforum gelungen.

Die fünf Ausstellungen, die sich hinter dem Titel verbergen, gehen der Frage nach: "Wie leben wir morgen?". Das Museum of Modern Art aus New York zeigt in "Groundswell" Landschaftsprojekte und Konzepte zur Revitalisierung städtischer Räume. Das Cooper Hewitt, ebenfalls aus New York, widmet sich in "Second Skin" neuen Materialien für Möbel, Mode und Architektur. Das Vitra Design Museum präsentiert in "Open House" innovative Architektur. Francesca Ferguson hat mit "Talking cities" eine Show über die Mikropolitik des urbanen Raumes kuratiert. Essen will sich damit zu einer der ersten Adressen in der internationalen Designszene etablieren. 100 Tage wird das "Entry"-Event dauern, danach wird das Ruhrmuseum in die neu adaptierten Räume einziehen.

Bis 1986 war Zollverein die leistungsfähigste Steinkohlenzeche der Welt. Seither stehen die Räder still, die einzelnen Gebäude, längst unter Denkmalschutz, werden nach und nach genutzt. Seit 2001 gilt das Gelände als UNESCO-Weltkulturerbe, vor allem wegen der einzigartigen Bauhausarchitektur der Zechengebäude. Dem bisher größten und schwierigsten Bauvorhaben, der Revitalisierung der Kohlenwäsche, nahmen sich der holländische Architekt Rem Koolhaas und sein Office for Metropolitan Architecture an. Mit dem deutschen Architekturbüro von Heinrich Böll und Hans Krabel meisterte er die Schwierigkeit, aus einer Ziegelhülle für eine einzige, riesige Maschine ohne Eingang und Treppen ein benutzbares Gebäude zu machen.

Früher wurde die Kohle via Förderbänder nach oben transportiert, um auf dem Weg nach unten gereinigt und sortiert zu werden. Heute führt eine Rolltreppe die Besucher 24 Meter über den Boden zum neuen Eingang. Es ist Deutschlands größte frei stehende Rolltreppe. Geschoss für Geschoss können die Besucher die Ausstellungen abwandern und gleichzeitig dem Weg der Kohle von oben nach unten folgen. Koolhaas und Böll/Krabel ist es gelungen viel vom Innenleben und von der alten Patina zu erhalten. Auf dem Weg durch das Gebäude begegnet man kohlrabenschwarzen Betonwänden, rostroten Rohren und Maschinen. Die neuen Ausstellungen und das alte Interieur ergänzen einander hervorragend.

Design ist nicht nur Thema der "Entry 2006", sondern auch anderer bereits umgebauter Gebäude. Architekt Lord Norman Foster hat das ehemalige Kesselhaus zum Designmuseum umgebaut. Am Rande des Zechengeländes wird in Kürze eine neue Designschule eröffnet. Das japanische Architekturbüro Sanaa hat dafür einen weißen, kantigen Kubus gestaltet. Mit dessen unregelmäßig über die Fassaden tanzenden Fenstereinschnitten ist ein Gegenpol zur strengen Form der Zechebauten gelungen.Entry 2006, Zeche Zollverein Essen, bis 3. Dezember 2006, täglich von 10 bis 20 Uhr.