Salzburger Nachrichten am 2. Juni 2006 - Bereich: Kultur
Die Schule der jungen Altmeister

"Made in Leipzig": Die Sammlung Essl zeigt rund 100 Werke der gerühmten "Neuen Leipziger Schule"

ERNST P. STROBLKLOSTERNEUBURG (SN). Da hat Karlheinz Essl ein Nest gefunden. Vor drei Jahren stieß der Kunstsammler im Museum der Bildenden Künste in Leipzig auf die Ausstellung "sieben mal malerei", und nun kann er in der Ausstellung in Klosterneuburg schon eine Sonderschau "Made in Leipzig" zeigen, deren rund 100 Exponate zur Hälfte aus Essls Sammlungsbesitz stammt. Die "Neue Leipziger Schule" habe ihn total in seinen Bann gezogen, erklärte Karlheinz Essl beim Presserundgang durch die Ausstellung, welche am Mittwoch im Beisein des früheren deutschen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker eröffnet wurde und die bis 3. September geöffnet ist.

Sowohl die Thematik als auch die technischen Ansprüche der Künstler, welche vier Generationen innerhalb der Hochschule für Grafik und Buchkunst (HGB) Leipzig vertreten, seien ihm wichtig gewesen. Essl fischt zwar mit dem großen Netz, aber auch amerikanische Sammler stürzten sich bereits im großen Stil auf die Malerei in der ehemaligen DDR. Obwohl die gezeigten Bilder durchwegs in den letzten zehn Jahren entstanden sind, sind Reflexionen auf den Sozialistischen Realismus nicht ausgeschlossen. "Der Formalismus bedeutet Zersetzung und Zerstörung der Kunst selbst", liest man gleich beim Eingang auf einer mehrteiligen Installation von Tilo Schulz. Und eine Art sozialistisch-heldische Überhöhung wie aus Urzeiten zeigt das "Bildnis des Viehzucht-Brigadiers Bodlenkow (Westkaukasus)" von Werner Tübke (1962).

Tübke gehört mit Wolfgang Mattheuer und Bernhard Heusig zur Lehrergeneration, die sich in den 60er Jahren neben Staatsaufträgen auch mit individuellen Bildthemen befassten. Die darauf folgende, ebenfalls ins schulische System eingebundene Künstlergeneration ist vertreten durch Hartwig und Wolfram Ebersbach, Sighard Gille und Arno Rink.

Einer ihrer herausragenden Schüler, Neo Rauch, wiederum hat heute selbst eine Professur an der Hochschule. "Das Gegenständliche, das zeichnerische Akzentuierte und ein historisch reich definiertes ideelles Weltbild - alles mit neuer Freiheit gehandhabt - sind meine Leipziger Wurzeln", sagt Rauch, dessen Ölbild "Kommen wir zum Nächsten" auffällt: Da sitzt ein Jakobiner mit der Hand in der Aktentasche, während hinten ein Opfer auf die Guillotine wartet, an der sich gerade Handwerker betätigen. Töten, Bürokratie, Handwerk?

Auffallend sind auch einige Arbeiten in technischer Hinsicht: Annete Schröter, Jahrgang 1956, holte die Technik des Papierschnitts aus der Versenkung und schuf kolossale Arbeiten mit kritischen Grundzügen, wie "Frau in Waffen", eine in die Burka gekleidete Terroristin, oder ein Paar Helden der Arbeit mit dem Titel "Sieger der Geschichte". Ein überraschendes Format besitzt auch der Holzschnitt "Brugge II" von Christiane Baumgartner. Auf 180 mal 234 cm sieht man eine fein geschnittene Nachtaufnahme einer Straße, die nach einem Video-Still entstanden ist. Da mischen sich die Jahrhunderte. Die rund 100 Werke von 29 Künstlerinnen und Künstlern spannen einen Bogen von 1960 bis heute, jedem ist die Geschichte in Erinnerung. Die Ausstellung zeigt auch einen Weg zwischen Positionen, die Deutschland einst künstlerisch trennten.Information: www.sammlung-essl.at