Quer durch Galerien
Wer sich in der Muschel irrt
Von Claudia Aigner
Ich für mein Teil hab' ja nicht einmal einen inneren
Schweinehund. Weil ich Vegetarierin bin (von Montag bis Freitag zwischen
12 und 13 Uhr jedenfalls). Vegetarier, das sind bekanntlich jene Menschen,
die sich nur eine Mundflora gestatten, also bekennende "Mundfloristen".
Denen kommt keine Fauna auf die Zunge. Die werden es sich folglich
verbitten, "das Tier in sich" entdecken zu sollen. Fleischfressern
hingegen, die ja einer Mundfauna nicht abgeneigt sind, werden wohl
leichter in sich fündig werden (zumindest nach dem Mittagessen). Bei
Karen Pontoppidan (bis 5. Oktober bei V&V, Bauernmarkt 19) geht's aber
gar nicht um die fleischverarbeitende Verdauung. Eher um die
Wahlverwandtschaft. Die mehr oder weniger freiwillig ist. Für ihre
Broschen und Ringe mit eingravierten Tierdarstellungen ("das Tier in mir")
braucht man ein bisschen Mut zum Schwein oder zum Kamel, die aber eh liebe
Viecherln sind. Der Schmuck verströmt den Charme der hart erarbeiteten
Unvollkommenheit. Soll heißen: Zur leicht schludrigen Ästhetik gesellen
sich zeitintensives Gravieren und Emaillieren. Das Animalische wird
aber nicht immer ganz so eng gesehen, sprich: beinhart zoologisch. Am
Häusl kann man allerdings wirklich, bei entsprechender Verdauung, "die Sau
rauslassen". So gesehen passt das berüchtigt männliche Stoffwechselutensil
(ein Pissoirbecken), von Perlen umrahmt, absolut ins Thema.
Klomuscheln sind natürlich keine Austern. Eh klar. Es handelt sich ja,
aufgrund der Trinkwasserqualität im Spülkasten, um Süßwassermuscheln. Und
wer bei sich daheim den Klodeckel hebt, um nach Perlen zu suchen, hat sich
eindeutig "in der Muschel geirrt". Denn jene Fremdkörper von fragwürdigem
Aroma, die hier eindringen, werden bestimmt nicht liebevoll mit Perlmutt
überzogen. Muscheltaucher in der Kanalisation sind ebenfalls eine surreal
unhygienische Vorstellung. Pantoppidan hat freilich ohnedies das Urinoir
gewählt, das ja seit Duchamp in der Kunst zugelassen ist und wo kein wie
auch immer gearteter fester Aggregatzustand abgeladen wird und also nichts
eine Angriffsfläche für einen Perlmuttüberzug bieten könnte, wie willig
das Perlmutt auch sein mag. Bis 5. Oktober bei Wolfgang Exner
(Rauhensteingasse 12): "Take Five." Ich erlaube mir aber, nicht alle fünf
zu nehmen. Sondern bloß zwei. Die "Sahara" von Hubert Fischlhammer (für
mich freilich "El Hammer", aber das ist eine komplizierte
Lawrence-von-Arabien-Geschichte) ist jetzt viel abgeklärter. Und viel
"sauberer". El Hammer hat zwar - gewissermaßen - nicht den kompletten Sand
mit dem Besen weggekehrt, aber die Ästchen, Blätter und anderen kleinen
Fundstückchen und ein bisschen das kuschelig Pittoreske. Aber es führt
wohl zu weit, wenn ich ihn mir jetzt auch noch mit der Schaufel vorstelle,
wie er den Dünen oben eins draufgibt und den Horizont flach klopft. Kurz:
Die Leere und Einsamkeit der Sahara ist jetzt vielleicht noch mehr da als
früher. Mit einem Schuss beruhigender und so schön befriedigender
Geometrie. Hervorzuheben auch die "abstrakt romantischen" runden
Bilder von Gerhard Kohlbauer, wo sich quasi die Landschaft in den Kreis
hineinduckt und krümmt. Gefällt mir. Besonders das reichhaltig bunte Weiß.
Anfangs denkt man noch, man könnte die Bilder von Oliver Dorfer (bis
24. September beim Hilger, Dorotheergasse 5) ergründen. Schließlich sind
Menschen da und es gibt Bildtitel. Aber was hat ein vorsätzlicher
Selbstmörder zu schaffen mit einer innigen Speichelszene zweier hormonell
Beflügelter? Man muss sich also wahrscheinlich damit abfinden, dass man
halt nur die angenehm reizvolle Ästhetik genießen wird können.
Erschienen am: 20.09.2002 |
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