Neues von der großen alten Dame

Von Ines Mitterer.


Inmitten der pompösen Säulenhalle der Akademie der bildenden Künste in Wien steht ein großer Käfig. Engmaschiger Gitterdraht umschließt eine seltsame Komposition aus alten Stühlen, Füßen auf Stangen, die übereinander liegen. Ein kleineres und ein größeres Paar Füße. Der Käfig ist das Werk von Louise Bourgeois.

"Passage Dangereux", 1997 (Zum Vergrößern anklicken)

Kleine Räume wie eben den Käfig hat die große alte Dame der Moderne zahlreiche eingerichtet. Es sind Boxen auf halbem Weg zwischen barocker Wunderkammer, schützender Almhütte und gruseliger kalter Gefängniszelle.

Auserwählt

Louise Bourgeois, 1911 in Paris geboren, wurde im Mai 2000 als eine der bedeutendsten und herausragendsten Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts mit der höchsten Auszeichnung, die die Akademie der bildenden Künste zu vergeben hat, gewürdigt. Die Ehrenmitgliedschaft des Hauses wurde im Laufe des vergangenen Jahrhunderts ausgewählten Künstlern und Intellektuellen wie Arthur Schnitzler, Oskar Kokoschka, Alfred Kubin, Henry Moore, Clemens Holzmeister, Elias Canetti oder Max Weiler zuteil.

Vita

Louise Bourgeois hat zunächst an der Pariser Sorbonne ein Mathematik-Studium aufgenommen - Logik sollte Ordnung in ihr tumultöses Leben bringen, das von der Liebesbeziehung ihres Vaters zu ihrer Kinderfrau geprägt war. Erst später begann sie ein Kunststudium, um die Ängste, die nicht mit Theorie zu verbannen waren, durch Kunst auszudrücken. 1938 ging sie mit ihrem amerikanischen Ehemann nach New York und erkämpfte sich mühsam neben familiärer Pflichterfüllung und Kindererziehung ihre künstlerische Identität.

Riesenspinnenskulptur:
Riesenspinnenskulptur: "Maman", 2000

Erst ab den 50er Jahren begann sich die Karriere der Louise Bourgeois zu entfalten, die heute als Grande Dame der Kunst gefeiert wird. Der Exorzismus der Angst ist ein wesentlicher Impuls in ihrem Werk, wo der Betrachter auch immer wieder mit bedrohlichen und Angst machenden Motiven konfrontiert wird. Mit Spinnen etwa, die als Spinnenobjekte - in Wien mit einer Riesenspinnenskulptur - oder in Grafikserien auftauchen, die wie der Zyklus "Ode à ma mère" mit der Mutter in Beziehung gesetzt werden. Höhepunkt der Wiener Schau ist die "Passage dangereux" in der Aula.

Großes Interesse

Louise Bourgeois hat in einer Zeit studiert, als Künstlerinnen noch eine Ausnahme in einer männlich dominierten Welt darstellten. Gerade das intensive Interesse vieler junger Künstler an ihrem Werk und ihrer Person zeige, wie sehr ihre Entwicklung mit einem Paradigmenwechsel in Gesellschaft und Kunst verbunden ist, meint Gunter Damisch, der die Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Studio Bourgeois konzipiert hat.

"Please hang in there", 1999

Mit der Künstlerin haben sich auch Studierende der Grafik-Klasse auseinandergesetzt. Das Ergebnis ist in der Ausstellung "Portrait. Hommage à Louise Bourgeos" im Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste (nebenan im Akademiehof) bis zum 4. Mai zu sehen.

Damisch, Professor an der Akademie, lernte in Luise Bourgeois eine faszinierend junge alte Dame kennen. "Für mich war das Faszinierende, eine alte Dame kennen zu lernen, die mit ihren 90 Jahren dem körperlichen Verfall ein Oeuvre der geistigen Frische, Neugierde und Wachheit entgegenstellen kann."

Persönliche Bezüge

Louise Bourgeois' Werke sind strikt autobiografisch, ohne dass man das auf den ersten Blick erkennen würde. Eine Kombination aus Stühlen etwa kann die Beziehung zwischen ihrem Mann und ihren drei Söhnen darstellen. Nur wer autobiografisch arbeitet und ganz bei der eigenen Person und seinen Gefühlen bleibt, kann wirklich universell sein und überall verstanden werden, ist die Künstlerin überzeugt. Nicht Märkte seien global, sagt sie bei einem ihrer raren Interviews in ihrem Atelier in New York, nur Emotionen.

Tipp:

"Louise Bourgeois. Reconstruction of the Past". Ausstellung in der Akademie der bildenden Künste (Aula und Ausstellungsräume) wien 1, Schillerplatz 3. Vom 25. April bis 27. Mai täglich 10.00 - 18.00 Uhr geöffnet.
Die Ausstellung wird anschließend im Kunstraum Innsbruck zu sehen sein.

Ausstellung "Hommage à Louise Bourgeois", Arbeiten von Studierenden der Meisterschule Grafik der Akademie der bildenden Künste, im Kupferstichkabinett der Akademie, Wien 1, Makartgasse 3. Vom 24.4. - 4.5. Montag bis Freitag 9.00 - 16.00 Uhr geöffnet.

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