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08.07.2006 - Kultur&Medien / Ausstellung
Koreaner, nicht das Kollektiv
VON THOMAS SEIFERT
Fotografie. Der Wiener Künstler Luca Faccio zeigt ein unbekanntes Nordkorea.

Eine Ausstellungseröffnung wie auf einem Appellplatz. Rund 200 junge Nordkoreaner in Festtagstracht sind als Claqueure in Reih und Glied in der "Yuni Sang" Musikhalle in Pjöngjang angetreten, um der Eröffnung der Foto-Ausstellung des Wiener Fotografen Luca Faccio beizuwohnen. Den Gästen aus Österreich, der aus Peking angereisten Leiterin des österreichischen Kulturforums, dem britischen und deutschen Botschafter werden Plätze in der ersten Reihe zugewiesen.

Der 37-jährige gebürtige Genuese steht ein wenig verunsichert ganz vorne, Frau Hong Son Ok, Vizepräsidentin des "Komitees für die kulturellen Verbindungen zum Ausland und Abgeordnete der höchsten Versammlung" spricht salbungsvolle Worte von Völkerfreundschaft, Dialog und kulturellem Austausch. Das nordkoreanische Zentralorgan, die "Arbeiterzeitung" ("Rodong Sinmun"), wird später berichten, dass Frau Hong Son Ok gesagt habe, dass die Ausstellung dazu beiträgt, "das Verständnis beider Völker füreinander zu fördern und die freundschaftlichen Beziehungen beider Länder zu vertiefen".

Tatsächlich hat die Ausstellung das Verständnis vertieft - aber auch gezeigt, welche tiefe Kluft sich zwischen Nordkorea und dem Rest der Welt auftut. Denn Luca Faccio, ein temperamentvoller, nicht leicht einzuschüchternder Individual-Anarchist, war bei seinen Reisen vor allem an den Menschen Nordkoreas interessiert, immer wieder schoss er Porträts, schälte das Individuum aus der Massengesellschaft, zeigt Gesichter, nicht das Kollektiv.

Was Frau Hong beim Abendessen dann auch kritisierte. Faccio zeige in seinen Arbeiten das Bild des Landes nicht richtig. Sie vermisst die repräsentativen Monumentalbauten, auf die man hier so stolz ist, und wohl auch Abbildungen vom "Ewigen Führer" Kim Il Sung und Genossen Kim Jong Il. Faccio lässt sich durch derlei Kritik nicht beeindrucken: "Mich interessieren die Menschen Nordkoreas und deren Gesichter, nicht Propaganda."

Barbara Pichler, Kuratorin der Ausstellung, die im Rahmen eines Korea-Schwerpunkts nächstes Jahr auch in der Kunsthalle am Karlsplatz zu sehen sein wird, beschreibt die Intention der Bilder: "Sie dokumentieren Monumentales, Inszeniertes, den Menschen organisiert als Masse - und sie zeigen Menschen aus der Nähe, in der U-Bahn, beim Spaziergang, während der Paraden, porträthaft." In Pjöngjang wurden diese "privaten" Aufnahmen präsentiert, nicht ohne vorherigen Widerstand von offizieller Seite, wie Pichler berichtet: " . . . die Porträts sollen rein von den beiden Staatsführern sein, nicht von den Menschen . . . ", wurde ihr bei der Ausstellungsvorbereitung in einem Brief beschieden. Es folgten lange Konversationen mit den Verantwortlichen - sowohl in der nordkoreanischen Botschaft in Wien als auch mit dem Kulturzusammenarbeitskomitee in der nordkoreanischen Hauptstadt.

Der Direktor der Wiener Kunsthalle, Gerald Matt, ist ebenfalls nach Nordkorea gereist und hat dort weitere Ideen für die im kommenden Frühjahr geplante Ausstellung gesammelt. Eine Videoarbeit über die präzisen Bewegungen der roboterhaften Politessen, die in Pjöngjang den Verkehr regeln, ist in Planung. Was am Ende alle am Projekt Beteiligten erstaunt hat: dass die Ausstellung in Pjöngjang stattfinden konnte. Für den Ausstellungsbesucher und Vertreter des Welternährungsprogramms WFP Abraham de Kock (ein Niederländer) ist das ein Zeichen der Öffnung: "Vor fünf Jahren wäre eine derartige Ausstellung undenkbar gewesen."

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