12.11.2002 19:02
Naturspaziergang in Architektur
Zur Eröffnung von Hans Holleins NÖ-Landesmuseum in St. Pölten:
Publikumspreise sind zu erwarten
Am Donnerstag wird Hans Holleins NÖ-Landesmuseum eröffnet. Der
Architekt hat Kunst und Natur in St. Pölten zu einem Haus verschränkt, das keine
Architektur-, aber Publikumspreise bekommen dürfte und das Niederösterreich als
Land der Wasser präsentiert.
Wien - Hans Hollein kann prächtige Museen bauen, das hat er mehrfach
unter Beweis gestellt. Kommenden Donnerstag eröffnet der Wiener wieder eines,
diesmal ausnahmsweise in hiesigen Gefilden. Hollein weiß selbst, dass das
Niederösterreichische Landesmuseum in Ordnung, aber nicht sein allerbestes Werk
ist. Er nahm vergleichsweise knappe Budgetmittel (183 Mio. Schilling
Bauherstellungskosten), mixte sie mit dem Starrsinn der Normenmacher und
Baubehörden ("hier wurde gespart, wo nur gespart werden konnte"), stellte seine
Grundfesten auf schwarzes Machtmonopol im roten Gemeindeland und produzierte
trotzdem etwas, das sich sehen lassen kann.
Über die Außengestalt des
neuen Museums lässt sich zwar streiten, was wir an dieser Stelle allerdings
nicht tun werden. Nur die Frage, ob die Dachwelle über dem nunmehr aus Gründen
der Ersparnis gemeinsamen Eingangsbereich von Shedhalle und Landesmuseum
wirklich dergestalt geschwungen sein muss, darf gestellt sein.
Innen ist
das neue Werk allerdings gelungen und durchaus das, was es sein soll: ein
kleines Museum eines kleinen Landes, mitten in der Provinz. Ein Haus für
Schulkinder und Lehrer, für Heimatkundler, Biedermeieranhänger und
Raubvogelliebhaber. Hollein versuchte die verschiedenen Inhalte der
traditionellen und nun aus Wien in die angestammte Heimat übersiedelten
Institution - Kunst, Geschichte, Natur des Landes - architektonisch
nachzuvollziehen und dennoch in Teilen miteinander zu verschränken: Die Kunst
ist in einem strengen Schrein untergebracht, die Natur wird über organisch
geschlungene Pfade in einer hohen Halle abspaziert, beide Aspekte zwinkern
einander über Durchblicke und Durchgänge zu: die gepinselten Baum- und
Wiesenidyllen hier, die nachproduzierten Naturlandschaften dort. Hollein: "Es
gibt ein bewusstes Übergreifen von Kunst und Natur, der Naturteil ist anders
durchwandelbar als die Kunst. Ich habe ein Instrument geschaffen, auf dem die
Kuratoren spielen können. Sie müssen sich nun aussuchen, ob sie die Geige oder
das Alphorn bevorzugen."
Letzte Schaufeltiere
Vor
allem die Schulkinder, die, stets in engen Klassen-und Wohnungskästchen
verwahrt, kaum je die Sensation des großen Raumes erleben dürfen, werden hier
rote Bäckchen bekommen vor Begeisterung. Der Naturpfad schlängelt sich über
Treppchen und Rampen großzügig durch die Halle. Der Weg ist frei wählbar. Man
kann ihn unten in den Sumpflanden der Donauniederungen einschlagen oder oben im
ewigen und echt nachproduzierten Gletschereis des Gebirges. Man kann
zwischendurch in den Wipfeln des mächtigen künstlichen Eichenbaumes einsteigen,
in dem ausgestopfte Singvöglein nisten, oder man nähert sich der Natur erst
einmal über die präparierten Elche, die verblichenen, letzten Schaufeltiere
ihrer Art im Land des Marchfeldes, der Donauauen und der Wachau.
Dem
Architekten war vor allem die thematische Aufbereitung der großen und kleinen
Wasser Niederösterreichs ein wichtiges Anliegen: "Ich wollte allerdings
publikumswirksame Aquarien haben, nicht solche wie im Chinarestaurant an der
Wand." Wenn er schon die Ausstellung nicht selbst hängen und installieren durfte
(warum auch immer), was in eine gewisse Naturkundekammerhaftigkeit mündete, so
konnte er sich wenigstens wassermäßig kräftig durchsetzen. Das gesamte
Naturmuseum ist denn auch, die niederösterreichische Topografie, Flora und Faune
widerspiegelnd, mit den verschiedensten Wasserbecken, Aquarien und Bachläufen
durchzogen.
Im großen Donau-Becken ganz unten ziehen träge Karpfen,
Waller, Welse, Stöhre ihre Kreise, weiter oben tummeln sich Bachforellen und
Saiblingschwärme im Wildwassergekräusel des Alpenvorlandes.
Sanftes Lichtgeriesel
Die lebendigen Viecherln
beleben natürlich so ein Haus voll ausgestopfter Artgenossen ungemein, die
Raubvogelschar, in schöner Regelmäßigkeit an einer hohen Wand behorstet, nimmt
sich dagegen eher langweilig aus. Wen das Trockene interessiert, der kann die -
ebenfalls lebendige - Flora und Fauna in einer Lößwand studieren, die in
Kunstoff abgegossen wurde. Mineralien, Gesteine, Versteinerungen und eine
tropfende Tropfsteinhöhle samt Höhlenbärenknochen und Stalaktiten und -miten
runden den Naturwanderpfad ab.
Die Kunstwelt Niederösterreichs ist dafür
in strenger Geometrie beheimatet. Die Lichtführung der fünf Meter hohen
Kunsthalle ist beeindruckend, sie erfolgt über eine transluzente Membran, über
der die Fenster eines ebenso hohen verborgenen Raumes für jenes indirekte
Lichtgeriesel sorgen, wie es sich Museumsmacher wünschen.
Der hier zu
besichtigende Bilderbogen spannt sich von den Barocken Paul Troger und Franz
Anton Maulbertsch über den biedermeierlichen Ferdinand Waldmüller bis zu Egon
Schiele und Zeitgenossen wie Elke Krystufek, Gunther Damisch und Heinz
Cibulka.
Das Niederösterreichische Landesmuseum ist, das macht sich in
vielen Details bemerkbar, von einem Könner der Architektur gemacht, doch Hans
Hollein kriegt dort so richtig seine Kilometer auf den Boden, wo er aus dem ganz
Vollen schöpfen kann. Das durfte er hier nicht, sein leichter Ingrimm gegenüber
der die Baugesetze bewachenden Beamtenschaft ist etwa angesichts der überaus
aufwändigen, weil so diktierten Geländerlandschaft in der Natur-Halle nicht
unverständlich.
Und als absolutes Manko bleibt noch zu bemeckern:
Museumsshop und Café reduzieren sich auf eine Miniatur-Selbstbedienungszone.
Auch der Provinz hätte hier die großzügigere Geste wohl zu Gesicht gestanden.
(DER STANDARD, Printausgabe, 13.11.2002)