Besprechung
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6 2002
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Sabine B. Vogel :  In den achtziger Jahren faszinierten Richard Artschwagers Skulpturen und Bilder durch ihr Spiel mit Wahrnehmungsweisen, mit Perspektiven, mit Benutzbarkeit und Verweisen auf ausserkünstlerische Bildwelten. Mehr als zehn Jahre später ist jetzt wieder eine grosse Retrospektive des US-Amerikaners zu sehen. Nach Nürnberg und London zeigt das Museum für Angewandte Kunst in Wien jetzt eine deutlich erweiterte Ausstellung mit Werken von 1960 bis heute.

Richard Artschwager im MAK

  
Richard Artschwager : Haltestelle, 2002 Courtesy MAK, Wien, Foto: Zugmann/MAK

Die erste grosse Überraschung der Ausstellung ist das Spiel zwischen angewandter und freier Kunst. Die Verwendung von Resopal, diesem beliebten Heimwerker-Material, schien in den achtziger Jahren wie ein Tabubruch. ‹Table with Pink Tablecloth›, 1965, schien Kitsch und Illusionsmalerei zu verbinden, verwirrte die Grenze zwischen Skulptur und Gemälde und bereicherte die strengen Formen des Minimalismus mit Humor. Heute, nach den vielen Grenzverwischungen der neunziger Jahre, spricht diese Intarsien-ähnliche Materialverwendung eine vor allem ästhetische Sprache. Weder geraten die Kategorien noch der Kunststatus in Zweifel. Die Satzzeichen aus Nylonborsten, die Tür mit Satzklammer daneben oder das Lesepult ‹Book II (Nike)›, 1981, treten ihre Idee von Benutzbarkeit an ihre Objekthaftigkeit ab. Es ist deutlich dasselbe Formenrepertoire wie im Minimalismus, allerdings sehr eigenwillig und poppig behandelt.

Aber dann geraten die neueren Skulpturen in den Blick, die ‹Crates›, 1993, streng geformte Transportkisten, oder die ‹Splatter Pieces›, direkt auf die Wand platzierte Eckstücke. Es sind intensive Beschäftigungen mit Gegenständen, die Artschwager in Form und Material einmal verdoppelt, das andere Mal fast seziert. Klarheit verschaffen dann die Werke im zentralen Eingangsraum: eine Pyramide und eine Säule von 1994, und vor allem die ‹Haltestelle›, 2002. Dieses überdimensionale Sitzobjekt liess Artschwager eigens für das MAK anfertigen. Eigentlich ist es eher ein Thron, aber Artschwager legt mit seinem Titel die Betonung auf ein meditatives Moment. Und genau darin liegt die anhaltende Faszination von Artschwagers Werk. Denn er nimmt die Welt der Farben, Formen, Materialien und Gegenstände auf eine fast autistische Weise sehr ernst. Eine Transportkiste erhält die Form dessen, was sie transportiert; ein Stuhl in der Ecke löst sich in eine zweidimensionale, plattgedrückte Verformung auf; eine Säule als Ort, der ‹vom Zugänglichen ins Unzugängliche führt› (R.A.); eine Haltestelle ist keine unnütze Leere zwischen zwei Terminen, sondern ein erhabener Moment des Innehaltens. Die Gegenstände erhalten eine eigene Sprache, eigene Aussagen, eigene Wahrheiten. Dass dies bereits für die frühen Werke gilt, wird jetzt in der Gesamtausstellung beeindruckend deutlich.

Bis 16.6.


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Ausgabe 6  2002
Ausstellungen Richard Artschwager [27.03.02-16.06.02]
Institutionen MAK Museum für angewandte Kunst [Wien/Österreich]
Autor/in Sabine B. Vogel
Künstler/in Richard Artschwager

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