Ein Tanz in den Untergang
Martin Behr Graz (SN). Es ist eine Art Totentanz vor einer machtvollen Bastion des Kapitals: Die 1969 in Salzburg geborene Künstlerin Isa Rosenberger lässt vor dem Gebäude der Oesterreichischen Nationalbank in Wien eine Figur aus dem expressionistischen Ballett „Der grüne Tisch“ (1932) des deutschen Tänzers und Choreografen Kurt Jooss auferstehen. Was weiland die Verflechtung von Macht, Ökonomie und Krieg aufzeigen sollte, spielt heute insbesondere auf die aggressiven, neokolonialistischen Aktivitäten heimischer Bankinstitute in Südosteuropa an.Keine platte Anklage Der Dialog aus Rosenbergers reinszeniertem Tanzstück und dem Original steht im Zentrum der Ausstellung „Espiral“ im Grazer Kunstverein. Die dunkle Figur mit dem extrem kantig weiß-schwarz geschminkten Gesicht (Tänzerin: Amanda Pina) vollführt einen vielfältig interpretierbaren Tanz in den Untergang. Die Vorgänge und Machenschaften rund um die Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Bank fallen einem ein, der Künstlerin geht es aber nicht um platte Schuldzuweisung, vielmehr um das Aufzeigen von gesellschaftlichen Prozessen. „Was Rosenbergers Recherchen sichtbar machen, sind die Zusammenhänge zwischen der Öffnung im ehemals kommunistischen Osten und den Bilanzen und Gewinnen der Bank-Mutterhäuser im Westen“, erklärt Ausstellungskurator Sören Grammel. Die Zirkulation der Kapitalströme ist der thematische Bogen, den Isa Rosenberger mit Videos und Installationen füllt. Der Titel der Ausstellung spielt auf den Namen einer Tanzschule in Santiago de Chile an. Diese Schule war von Patricio Bunster, einem Solisten im Ensemble von Kurt Jooss (1901–1979) gegründet worden. In einem Raum präsentiert die 42-jährige, in Wien lebende Künstlerin einen Nachbau des Tischs mit den asymmetrischen Proportionen aus dem Joos-Stück: Aus dem praktikablen Bühnenmobiliar von einst wird im Betriebssystem Kunst eine Skulptur. Weiters zu sehen: ein Film, der die Tänzerin beim Einstudieren der Bewegungen zeigt, einer, in dem die Künstlerin als Visagistin ihr Gegenüber befragt.Historie eines Brunnens Gesellschaftspolitische Veränderungen im Ex-„Ostblock“ werden auch in einer anderen Arbeit sichtbar. In einem Stadtteil von Pressburg stieß Rosenberger auf einen monumentalen Betonbrunnen, eine „vergessene Bühne aus sozialistischen Zeiten“. Wo früher Konzerte stattfanden, befindet sich heute eine urbane Leerstelle. In Gesprächen mit Passanten erhellt die Künstlerin die Historie des einst futuristischen Monuments. Erinnerungen und Zukunftsmöglichkeiten verdichten sich in einem Poster. (Bis 11. 6.)