Wiener Zeitung · Archiv


Kunstberichte

Galerien

Sakrileg mich doch!

Aufzählung (cai) Es gibt ihn also wirklich noch. Den Künstler, der glaubt, wenn er ein Lackerl macht, wäre das Kunst. Im Keller der Galerie Janda bin ich jedenfalls (hoppala!) in so ein Meisterwerk reingestiegen. In einer Galerie ist eine Lacke ja keine Lacke. Das ist ein Aquarell. (Mindestens.) Dann hab ich das Taferl gelesen: "Vorsicht: Rutschgefahr! Wasserrohrbruch!" Nein, da stand natürlich was andres: "Holy Water." Verdammt! Ich bin durch Weihwasser getrampelt! Wurscht. Ich bin ja nicht katholisch. (Ist Wilfredo Prietos Pfütze jetzt ein Andachtsbild oder ein Sakrileg-mich-doch?)

Praktisch alles, womit Patrick Charpenel, der Kurator, uns die aktuelle Kunst Lateinamerikas näherbringen will, ist ein bissl mysteriös. Wieso hat Gabriel Sierra denn einen Dollar zwischen zwei Apfelhälften geklemmt? Ach, vielleicht aus Protest gegen den Kapitalismus. (Hä?) Na ja, wenn man alles restlos verstehen würde, wären die Arbeiten vermutlich weniger faszinierend. Und die an die Wand genagelte Silbermünze? Ist ein Zitat. Aha, aus der Bibel. Das ist einer von den 30 Silberlingen. Falsch. Das ist die Münze, die der Kapitän Ahab an den Mast genagelt hat und die jener Matrose kriegen sollte, der den weißen Wal als Erster sichtet. Ob Jorge Méndez Blake damit ausdrücken will,dass – er "Moby Dick" gelesen hat? Hm. Dass es keine Verhaltensstörung ist, Bücher mit Tennisbällen zu bewerfen, sondern eine sportliche Auseinandersetzung mit der Geschichte, das macht Eduardo Gil in einem Video vor. Er "ballert" auf den Lesestoff eines Malers, der Leo Trotzki killen wollte. Doch das beste Beispiel für den geradezu poetischen Umgang dieser Künstler mit der Welt ist wohl der Notenständer mit der mexikanischen Musik drauf. Mit der "kleinen Nachtmusik". Äh, die von Mozart? Nein, die von einem Moskito. Fernando Ortega hat ein Mückensolo ("Ssssss") in Noten übersetzen lassen. Für eine Geige. Oh, romantisch.

Galerie Martin Janda
(Eschenbachgasse 11)
"De Frente Al Sol", bis 30. Oktober
Di. – Fr.: 13 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Die Augen sind voll

Aufzählung (cai) Ein bissl erinnert mich der Peter Kogler ja an den Klaus Kinski in diesem Brutalowestern. Nur dass er kein Kopfgeld-, sondern ein Kammerjäger ist. Statt mit Leichen seinen Weg zu pflastern, tapeziert er die Wände mit Ratten. Ein überwältigendes Ornament aus "Verstopfung". (Wie heißt’s doch so treffend: Die Ratten versenken das Schiff. – Oder so.) Auch das Mezzanin hat er nicht mit einer eskapistischen Blümchentapete überzogen. Vors Gewusel hängt er noch Bilder von Rohren, dass den Augen schon ganz übel wird. Doch würden wir hier nicht so gemästet, empfänden wir kaum diese Erleichterung beim Blick zum leeren Bilderrahmen gegenüber, auf dem die anderen "Haustiere" rumkrabbeln (die Ameisen). Sind die Ratten die hektische Masse, dann ist die (eingerahmte) weiße Wand die Einsamkeit. Gut, der Kogler zitiert sich dauernd selbst, dass es bereits an Autoerotik grenzt, doch immerhin ist er unverwechselbar, also einmalig.

Galerie Mezzanin
(Getreidemarkt 14),
Peter Kogler, bis 30. Oktober
Di. – Fr.: 11 – 18 Uhr, Sa.: 11 – 15 Uhr

Der weiße Monolith

Aufzählung (cai) Da denkt man, eine abstrakte Skulptur wäre leicht herzustellen. Man müsse doch nur alles weglassen, was nach etwas aussieht. Offenbar ein Irrtum. Die Quader von Anita Leisz aus Gipsfaser- oder Spanplatten scheinen völlig bedeutungslos zu sein, und trotzdem hat in meinem geistigen Ohr "Also sprach Zarathustra" gedröhnt. Weil zumindest die 2,30 Meter hohen, schlanken Dinger eine frappante Ähnlichkeit mit dem schwarzen Monolithen aus "2001" hätten , wenn sie nicht so weiß wären. Schlicht, aber einprägsam.

Galerie Meyer Kainer
(Eschenbachgasse 9),
Anita Leisz, bis 6. November
Di. – Fr.: 12 – 19 Uhr, Sa.: 11 – 16 Uhr



Printausgabe vom Mittwoch, 13. Oktober 2010
Online seit: Dienstag, 12. Oktober 2010 17:15:00

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