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derStandard.at | derStandard.at | Kultur | Bildende Kunst 
23. Oktober 2008
12:57 MESZ


Galerie Hubert Winter, Breite Gasse 17, 1070 Wien. Bis 15. 11. www.galeriewinter.at

 

Modell mit seinem Bild: Chantal Michel nutzt das Atelier Coghufs für ihre eigenen Inszenierungen und Spiele mit Identitäten ("Die letzten Zeugen", 2005).


Nicht aus dieser Welt
Fotografien der Schweizer Künstlerin Chantal Michel in der Galerie Hubert Winter in Wien

Sie zieht in die Räume ein. Und das "Einziehen" kann bei Chantal Michel gerne auch in beiden Wortbedeutungen verstanden werden - als kurzzeitiges "Bewohnen" wie auch als "Eindringen". Ein wechselweises Angleichen von Raum und Künstlerin.

In den Fotografien der Schweizer Künstlerin Chantal Michel (geboren 1968) scheint es oft, als ob sich die Künstlerin unsichtbar machen, als Accessoire oder Möbelstück tarnen, ihre Posen und Kostüme hinsichtlich der Atmosphäre des Handlungsortes wählen würde. So schmiegt sie sich behutsam wie eine Katze in den spärlichen Zwischenraum von Gardine und Blumentopf ("Josefallee 128", 2001) oder hängt in einem Ballkleid vergessen im Putzschrank. Die Orte, die sie für ihre ebenso befremdlichen wie märchenhaften Fotoinszenierungen nutzt, sind alles andere als Kulissen. Vielmehr ist ihnen eine intensive Auseinandersetzung mit den Räumen vorangegangen, hat sich Michel diese temporär angeeignet und ihren Strategien unterworfen.

Auch in der aktuell bei Hubert Winter gezeigten Serie "Die letzten Zeugen" (2005), die sich rund um die Figur des helvetischen Malers Coghuf entspinnt, trügt der erste Eindruck: Chantal Michel, die auch mit den Medien Performance und Video arbeitet, schlüpft nicht in die Rolle des 1976 verstorbenen Malers, auch wenn sie sich je nach Lebensalter des Künstlers lichte Haarbüschel brauner oder grauer Tönung auf den Kopf pickt. Die Reanimation seiner Person und Kunst gelingt nicht, wirkt Coghuf in den Rekonstruktionen doch mehr tot als lebendig. Das Atelier und dessen Bedingungen drängen sich in den Vordergrund: Seit Coghufs Tod durfte dort nichts mehr verändert werden. Staub, Dreck und die Patina auf Wänden und Holzdielen, dazu Michel in der Originalkleidung sagen mehr aus über Nachlassverwalter und den Krampf des Bewahrens. Hinter den vorgeblendeten Inszenierungen blitzt Michels eigenes Spiel mit Identitäten durch.

Wie ein Kommentar zu dieser Geisterbahn wirkt das Video "Die Falle" (2005): Es zeigt eine rätselhafte Kreatur, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Die Nachtkamera fängt Bilder eines schrill fiependen, von Angst wie besessenen und ebenso tierischen wie kindlichen Wesens ein. Allein das blonde lange Haar erinnert noch an eine junge Frau. (kafe, DER STANDARD, Printausgabe, 23.10.2008)

 

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