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Kunst ohne Kontext? Blick
auf zwei Werke des umstrittenen Künstlers Otto Muehl, dessen
Ausstellung in Wien zu Protesten führte. Der Grund:
Ex-Kommunen-Mitbewohner Muehls meinen, der biografische
Kontext müsse mit thematisiert werden, also auch die Vergehen,
wegen denen Muehl im Gefängnis saß. foto: dpa | Wien
(dpa). Kunst oder Verbrechen? - Die Frage schürt die Emotionen
in Wien, wo eine Ausstellung zum Gesamtwerk des österreichischen
Künstlers Otto Muehl zu sehen ist. Ehemalige Bewohner der von Muehl
gegründeten Künstlerkommune fordern: "Verbrechen dürfen nicht als
Kunst ausgestellt werden!" Der Direktor des Museums für angewandte
Kunst MAK, Peter Noever, beharrt auf der Trennung von Mensch und
Werk: "Bei allem Respekt und Verständnis für Emotionen - hier ist
das Thema die Kunst. Wir präsentieren das Werk eines wichtigen
Künstlers der Gegenwart."
Muehl war in den 60er Jahren gemeinsam mit Hermann Nitsch, Günter
Brus und Rudolf Schwarzkogler Mitbegründer des Wiener Aktionismus.
In seiner 1970 gegründeten Kommune, die zwei Jahre später in den
"Friedrichshof" im Burgenland einzog, propagierte er die
"Aktionsanalyse" als Befreiung von gesellschaftlichen Zwängen durch
die Kunst und freie Sexualität. Von 1991 bis 1998 verbüßte Otto
Muehl eine Haftstrafe wegen Drogenmissbrauchs, Vergewaltigung und
sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen.
In den vergangenen Tagen hatten ehemalige Kommunenbewohner
Vorwürfe gegen Muehl wegen sexuellen Missbrauchs und Gewaltanwendung
erneuert und protestierten bei der Vorbesichtigung gegen die
Ausstellung. Ihre Empörung richtet sich gegen jene Teile der Schau,
in der das Leben der Kommune aus der Sicht Muehls als Utopie von
einer freien Gesellschaft gezeichnet wird. Dazu gehören Plakate wie
die "XII AA Gebote" zur Aktionsanalyse oder zum "Kinderaufwachsen"
in der Kommune, in der Zweierbeziehungen ebenso verboten waren wie
Privateigentum. Die Ausstellung im MAK zeigt bis 31. Mai unter dem
Titel "Otto Muehl. Leben - Kunst - Werk. Aktion Utopie Malerei
1960-2004" insgesamt 480 Arbeiten des Künstlers. In drei Kapiteln
fasst die Schau das umfangreiche und heterogene Werk zusammen, von
den ersten Gerümpelplastiken und Materialbildern über die Malerei
und Dokumentationen seiner Aktionen bis hin zu den aktuellen
"Electric Paintings". Es ist dies die erste Gesamtschau zur Arbeit
Muehls, der heute, stark von seiner Parkinson-Krankheit gezeichnet,
mit sieben Künstlerfamilien in einer kleinen Kommune in Portugal
lebt.
Das Eingangskapitel "Aktion" beschreibt den Weg Muehls vom
Studium der Germanistik und Geschichte, über erste Lehrerfahrungen
bis hin zum eigenen künstlerischen Schaffen. Fotografien und
Filmausschnitte dokumentieren die Direct-Art-Performances der 60er
Jahre. Die Trennung zwischen Kunst und Leben aufzuheben und im
gleichberechtigten Zusammenleben gesellschaftliche Zwänge abzulegen,
war Kernpunkt seiner sozialen Utopie. Fotografien und Gebots-Plakate
zum Leben in der Kommune bilden den Kern des zweiten Kapitels
"Utopie". Der Bereich "Malerei" schließlich zeigt Muehl als
technisch versierten Künstler, der etwa im Van-Gogh-Zyklus von 1984
mit Motiven der Kunstgeschichte spielt. In den "Electric Paintings",
die seit 2001 entstehen, verwendet er Motive und Fotografien aus
seiner früheren Arbeit und verfremdet sie mittels Computer.Irmgard
Schmidmair
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